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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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getan hätte, aber ich habe Horace Bonepenny nicht umgebracht!«
    »Ehrlich nicht?«
    Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass mein Vater ein Mörder war, da kostete es mich doch beträchtliche Überwindung, mir einzugestehen, dass ich mich geirrt hatte.
    Immerhin fiel mir ein, wie Feely einmal gesagt hatte, Beichten sei vorteilhaft für das Seelenheil (dabei hatte sie mir den Arm umgedreht und mich zwingen wollen, ihr zu verraten, was ich mit ihrem Tagebuch angestellt hatte).
    »Ich habe mit angehört, wie ihr beide darüber gesprochen habt, dass ihr euren Hausleiter Mr Twining umgebracht habt. Ich bin in die Bücherei gefahren, habe im Zeitungsarchiv nachgesehen und mich mit Miss Mountjoy unterhalten. Sie ist Mr Twinings Nichte. Sie erinnerte sich noch gut an die Gerichtsverhandlung
damals und an die Namen Schnäppi und Horace Bonepenny. Ich weiß, dass Bonepenny im Dreizehn Erpel übernachtet hat und dass er aus Norwegen eine tote Zwergschnepfe mitgebracht hat, und zwar in einer Pastete eingebacken.«
    Vater schüttelte langsam und traurig den Kopf, aber keineswegs aus Bewunderung für meine detektivische Begabung, sondern eher wie ein alter angeschossener Bär, der sich weigert, zu Boden zu gehen.
    »Das stimmt so weit«, sagte er. »Aber hältst du deinen Vater wirklich für fähig, einen kaltblütigen Mord zu begehen?«
    Jetzt, da ich einen Moment ernsthaft darüber nachdachte, sah ich ein, wie albern ich mich aufgeführt hatte. Warum war ich nicht längst daraufgekommen? Kaltblütiger Mord gehörte eindeutig zu den Taten, zu denen mein Vater überhaupt nicht fähig war.
    »Äh … nein«, erwiderte ich kleinlaut.
    »Sieh mich an, Flavia!«, sagte er, aber als ich aufblickte und Vater in die Augen schaute, sah ich verstörenderweise in meine eigenen blauen Augen und musste wegschauen.
    »Horace Bonepenny war kein besonders anständiger Mensch, aber den Tod hatte er nicht verdient. Den hat niemand verdient«, sagte Vater, und seine Stimme verebbte wie ein Beitrag auf einem weit entfernten UKW-Sender. Ich spürte, dass seine Worte gar nicht mehr an mich gerichtet waren.
    »Auf der Welt herrscht auch so schon viel zu viel Mord und Totschlag«, sprach er weiter.
    Er setzte sich wieder hin, betrachtete seine Hände, strich mit einem Daumen über den anderen, und seine Finger griffen ineinander wie die Zahnräder eines alten Uhrwerks.
    Nach einer Weile fragte er: »Was ist mit Dogger?«
    »Der hat euch auch belauscht«, gestand ich.
    Vater stöhnte leise.

    »Das habe ich befürchtet«, sagte er tonlos. »Das habe ich mehr befürchtet als alles andere.« Und dann, während der Regen in dichten Schleiern gegen das Fenster peitschte, fing Vater an zu reden.

15
    A nfangs kamen Vater die ungewohnten Worte nur langsam und zögerlich über die Lippen, setzten sich so widerspenstig und ruckartig in Bewegung wie rostige Güterwagen. Aber sobald sie eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hatten, ratterten sie erstaunlich schnell und gleichmäßig dahin.
    »Meinen Vater zu mögen war nicht leicht. Als er mich aufs Internat schickte, war ich elf. Danach sahen wir uns nur noch selten. Weißt du, es ist komisch, ich hatte keine Ahnung, ob er irgendwelche Hobbys hatte, bis bei seiner Beerdigung einer der Sargträger beiläufig erzählte, dass seine große Leidenschaft Netsuke gewesen seien. Ich musste es erst im Wörterbuch nachschlagen.«
    »Das sind solche kleinen japanischen Elfenbeinschnitzereien«, sagte ich. »Die kommen in einer von Austin Freemans Dr. Thorndyke -Geschichten vor.«
    Vater ging nicht darauf ein und fuhr fort.
    »Greyminster war zwar nur ein paar Meilen von Buckshaw entfernt, aber damals hätte es ebenso gut auf dem Mond sein können. Dabei hatten wir großes Glück mit dem Direktor unserer Schule. Dr. Kissing war ein liebenswerter Mann, der fest davon überzeugt war, dass ein Junge, der seine tägliche Dosis Latein, Rugby, Kricket und Geschichte einnahm, gegen jegliche Unbill gefeit war, und im Großen und Ganzen wurden wir dort gut behandelt.
    Wie die meisten anderen meiner Mitschüler blieb ich in der Anfangzeit eher für mich, suchte Zuflucht bei meinen Büchern
oder verkroch mich hinter eine Hecke und weinte, wenn ich mich mal allein davonstehlen konnte. Ich kam mir vor wie das traurigste Kind der Welt und glaubte, dass ich wohl einen abscheulichen Charakter besitzen musste, da mich mein Vater so herzlos verstoßen hatte. Vielleicht gab es ja irgendeine Möglichkeit, das

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