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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Puppenbühne verlief.
    Ein solides schwarzes Eisengeländer stützte Rupert auf Hüfthöhe, wenn er sich vorbeugte, um die Puppen zu bedienen. Zwar waren die Marionetten so an einer langen Stange hinter mir aufgehängt, dass ich die Gesichter nicht erkennen konnte, doch an der Kleidung identifizierte ich mehrere Charaktere: eine alte Bauersfrau, ihren Mann und einen Jungen.
    Auf einer Seite war in Reichweite das Magnettonband aufgehängt, beide Spulen mit glänzendem braunem Band bestückt,
das, nach der Farbe zu urteilen, mit einer Emulsion aus Eisenoxid beschichtet war.
    »Nialla lässt Ihnen ausrichten, Sie möchten dran denken, die Musik leiser zu drehen, wenn sie anfängt zu reden«, flüsterte ich, als verriete ich ihm ein Geheimnis.
    »Alles klar. Du brauchst nicht zu flüstern. Der Vorhang schluckt alle Geräusche. Hier oben kann uns niemand hören.«
    Kein besonders beruhigender Gedanke. Falls ihm danach war, konnte mich Rupert demnach mit seinen kräftigen Händen an der Gurgel packen und mich in aller Seelenruhe erwürgen. Vor der Bühne würde niemand etwas von meinem Todeskampf mitbekommen.
    »Dann geh ich mal wieder«, sagte ich. »Ich helfe beim Kartenverkaufen.«
    »Prima«, erwiderte Rupert. »Aber vorher musst du dich noch richtig umsehen. Nicht viele Kinder haben Gelegenheit, hinter eine Puppenbühne zu schauen.«
    Noch während er sprach, drehte er an einem Regler, und unter uns leuchteten die Bühnenlichter auf. Ich wäre beinahe hintenübergekippt, als unter meinen Füßen eine kleine Welt wie aus dem Nichts auftauchte. Ich kam mir vor wie Gott, der von hoch oben auf eine traumverlorene Landschaft mitsamt blauem Himmel und grünen Hügeln hinabschaute. In ein Tal schmiegte sich ein kleines Haus; davor stand eine Bank, und auch ein wackliger Kuhstall war dort aufgebaut.
    Obwohl ich das alles schon einmal gesehen hatte, blieb mir schier die Luft weg.
    »D-das haben Sie alles gemacht?«, stotterte ich.
    Rupert lächelte und bediente den nächsten Regler. Das künstliche Tageslicht verlosch, es wurde dunkel, und in den Fenstern des Häuschens gingen Lichter an.
    Ich sah zwar alles von oben und sozusagen verkehrt herum, verspürte aber trotzdem ein mir bis dahin unbekanntes wehmütiges Ziehen in der Brust.

    Heimweh.
    Noch inbrünstiger als beim ersten Mal, als ich das Bühnenbild gesehen hatte, wünschte ich mir, in die friedliche kleine Landschaft einzutreten, den Weg entlangzuspazieren, den Schlüssel aus der Tasche zu ziehen, die Tür zu dem Häuschen aufzusperren, mich vor den Kamin zu setzen und für immer dort bleiben zu können.
    Auch Rupert war wie verwandelt. Seine von unten beleuchteten Züge waren entspannt und ausgeglichen, ein gutmütiges Lächeln ließ sein breites Gesicht erstrahlen.
    Dann beugte er sich über das Geländer und zog eine dunkle Baumwollkapuze von einem klobigen Gegenstand am Rand der Bühne.
    »Darf ich vorstellen: Galligantus, der Riese! Die letzte Gelegenheit, bevor er sein Fett wegkriegt.«
    Es war das Gesicht eines Ungeheuers, die mit Furunkeln übersäten Züge zu einer Grimasse unstillbaren Zorns verzerrt, das Kinn mit grauschwarzen Stoppeln bedeckt, dick wie Teppichnägel.
    Ich stieß einen spitzen Schrei aus und wich zurück.
    »Er ist nur aus Pappmaché«, beruhigte mich Rupert. »Keine Angst, er ist nicht so grässlich, wie er aussieht. Der arme alte Galligantus - eigentlich habe ich ihn richtig ins Herz geschlossen. Wir haben schon viel Zeit hier oben miteinander verbracht und auf das Ende der Vorstellung gewartet.«
    Ich schluckte. »Er … er ist toll. Aber er hat ja gar keine Fäden.«
    »Richtig. Streng genommen ist er keine Marionette … Eigentlich ist er nur ein Kopf mit Schultern dran. Beine besitzt er nicht. Dort, wo seine Hüfte hingehört, ist er unsichtbar aufgehängt und … aber versprich mir erst, dass du das niemandem weitererzählst, denn das ist ein Betriebsgeheimnis.«
    »Versprochen!«
    »Am Ende jeder Vorstellung, wenn Jack die Bohnenranke
abhackt, brauche ich nur diesen Hebel umzulegen - er ist mit einer Feder versehen, siehst du, und …«
    Als er den Hebel betätigte, schnellte eine kurze Stange wie eine Eisenbahnschranke nach oben, Galligantus taumelte an den Bühnenrand und brach vor dem kleinen Häuschen zusammen, wobei er fast den ganzen Vordergrund einnahm.
    »Da bleibt denen in den ersten Reihen jedes Mal die Luft weg«, sagte Rupert. »Und ich muss jedes Mal lachen, wenn ich das höre. Dabei muss ich natürlich aufpassen, dass

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