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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Jack und seine arme alte Mutter nicht im Weg stehen. Ich kann sie ja schlecht von dem niederstürzenden Riesen zerquetschen lassen.«
    Er packte Galligantus beim Schopf und befestigte ihn wieder in seiner ursprünglichen Haltung.
    Was daraufhin aus unerfindlichen Gründen aus der Tiefe meines Gedächtnisses an die Oberfläche sprudelte, war eine Predigt, die der Vikar Anfang des Jahres gehalten hatte. Ein Teil seines Texts, den er der Genesis entnommen hatte, lautete folgendermaßen: »In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen.« In der Originalsprache, dem Hebräischen, so hatte uns der Vikar erklärt, lautete das Wort für Riesen nephilim, was so viel wie »grausame Unruhestifter« oder »brutale Tyrannen« bedeutete. Es hatte nichts mit Körpergröße zu tun, sondern mit einem schlechten Charakter. Es ging nicht um Ungeheuer, sondern um Menschen von niederträchtigem Wesen.
    »Dann geh ich mal wieder runter«, sagte ich. »Vielen Dank, dass Sie mir Galligantus gezeigt haben.«
     
    Nialla war nirgends zu sehen, und ich hatte keine Zeit, nach ihr zu suchen.
    »Ach du meine Güte«, sagte der Vikar, »ich weiß auch nicht, was ich dir noch auftragen soll. Am besten machst du dich einfach irgendwo nützlich.«
    Gesagt, getan. Im Lauf der nächsten Stunde riss ich Eintrittskarten
ab und brachte Zuschauer (überwiegend Kinder) auf ihre Plätze. Ich funkelte Bobby Broxton wütend an und gab ihm zu verstehen, dass er die Füße von den Sprossen des vor ihm stehenden Stuhls nehmen sollte.
    »Der ist für mich reserviert!«, zischelte ich drohend.
    Ich kletterte auf die Küchenanrichte und entdeckte die zweite Teekanne, die jemand auf dem obersten Regal ganz nach hinten geschoben hatte, und ich half Mrs Delaney, leere Tassen und Untertassen auf ein Tablett zu stapeln. Ich rannte sogar zur Post in der Hauptstraße, um eine Zehnpfundnote in Kleingeld umzutauschen.
    »Wenn der Vikar noch mehr Kleingeld braucht«, meinte Miss Cool, die Leiterin des Postamts, »kann er doch die Pappsammelbüchsen von der Sonntagsschule schlachten. Ich weiß, dass das Geld für Missionsstationen gedacht ist, aber er kann ja statt Münzen genauso gut Banknoten hineinstecken. Dann bräuchte er jedenfalls nicht die Münzen seiner Königlichen Hoheit in Anspruch zu nehmen! Aber geistliche Herren sind ja oft nicht eben mit praktischem Verstand gesegnet, hab ich nicht recht?«
    Als es zwei Uhr schlug, war ich völlig fertig.
    Dann, als ich endlich meinen Platz - erste Reihe, Mitte - einnahm, wurde das Raunen im Zuschauerraum immer lauter. Wir waren ausverkauft.
    Hinter der Bühne schaltete der Vikar das Saallicht aus, und im Handumdrehen saßen wir alle im Finstern.
    Ich lehnte mich zurück - und die Musik setzte ein.

11
    E s war ein hübsches kleines Stück von Mozart, eine jener Melodien, die klingen, als hätte man sie schon mal gehört, auch wenn das nicht der Fall war.
    Ich stellte mir vor, wie sich die Spulen auf Ruperts Bandgerät hinter der Bühne drehten, wie die Klänge kraft des Magnetismus aus der subatomaren Welt des Eisenoxids heraufbeschworen wurden. Nachdem Mozart sie vor fast zweihundert Jahren wahrscheinlich zuerst in Gedanken gehört hatte, schien es jetzt irgendwie angebracht, dass die Töne des Sinfonieorchesters nurmehr in Rostpartikeln gespeichert waren.
    Als der Vorhang aufging, war ich überrascht. Statt das Häuschen und den lieblichen Hügel zu zeigen, war die Bühne völlig schwarz. Rupert hatte die ländliche Szene offenbar mit einem dunklen Tuch verhüllt.
    Ein kleiner Scheinwerfer leuchtete auf, und man sah mitten auf der Bühne ein Miniatur-Cembalo stehen, dessen elfenbeinerne Tasten auf beiden Manualen sich grellweiß von der Dunkelheit ringsum abhoben.
    Die Musik wurde ausgeblendet; wie erwartet, kehrte gespannte Ruhe im Zuschauerraum ein. Alles beugte sich gespannt vor …
    Auf einer Seite der Bühne regte sich etwas, dann schritt eine Gestalt selbstbewusst auf das Cembalo zu. Es war Mozart!
    Er trug einen grünseidenen Anzug mit Spitzenkragen, weiße Kniestrümpfe und Schnallenschuhe und sah überhaupt aus, als wäre er geradewegs aus dem 18. Jahrhundert durch ein Fenster in unsere Zeit geklettert. Seine gepuderte weiße Perücke umrahmte
ein rosiges, keckes Gesicht, und er legte die Hand über die Augen, um festzustellen, wer in dem dunklen Zuschauerraum die Dreistigkeit besessen hatte zu kichern.
    Kopfschüttelnd wandte er sich seinem Instrument zu, holte ein Streichholz aus der Tasche und zündete die Kerzen

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