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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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und nicht mal mehr ein roter Heller war ihnen geblieben, um etwas zu essen zu kaufen.«
    Nun kam die arme Witwe um die Ecke des Häuschens; an einem Strick führte sie eine Kuh. Beide, Frau und Kuh, waren nur noch Haut und Knochen, aber dafür besaß die Kuh hinreißend große braune Augen.
    »Wir müssen die Kuh dem Schlachter verkaufen«, sagte die Witwe.
    Bei diesen Worten richtete die Kuh ihre riesigen Augen vorwurfsvoll erst auf die Witwe, dann auf Jack, und schließlich ins Publikum. So helft mir doch!, schien sie sagen zu wollen.

    »Aaaahhhh«, machten alle voller Mitgefühl.
    Die Witwe wandte dem bedauernswerten Geschöpf den Rücken zu, ging davon und überließ Jack die Drecksarbeit. Kaum war sie weg, kam ein Hausierer ans Tor.
    »Tach auch, der Herr«, grüßte er Jack. »Du siehst mir wie ein kluger Bursche aus - grad wie einer, der ein paar Bohnen gebrauchen könnte.«
    »Kann schon sein«, erwiderte Jack.
    »Jack hielt sich nämlich für sehr geschäftstüchtig«, warf Mutter Gans ein, »und ehe man › Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwyllllantysiliogogogoch ‹ sagen konnte - so heißt eine Ortschaft in Wales - hatte er die Kuh gegen eine Handvoll Bohnen eingetauscht.«
    Die Kuh folgte dem Hausierer nur widerstrebend und blieb ab und zu störrisch stehen. Jack stand da und betrachtete das Häuflein Bohnen in seiner Hand.
    Da kam seine Mutter wieder.
    »Wo ist die Kuh?«, fragte sie. Jack deutete auf die Straße und hielt ihr die flache Hand hin.
    »Dummkopf!«, zeterte die Witwe. »Riesendummkopf!«
    Und sie trat ihm in den Hintern.
    Alle anwesenden Kinder lachten los, und ich muss zugeben, dass auch ich kichern musste. Ich bin in einem Alter, in dem man dergleichen zwiespältig aufnimmt: Einerseits kichert man über derlei Blödsinn, andererseits kann man sich mit Mühe ein mattes Lächeln abringen, ungefähr wie das der Mona Lisa.
    Der Tritt beförderte Jack tatsächlich ein gutes Stück durch die Luft, wobei er seine Bohnen überall verstreute.
    Das Publikum war nicht mehr zu halten.
    »Du schläfst heute im Hühnerstall«, schimpfte die Witwe. »Wenn du Hunger kriegst, kannst du ja Körner aufpicken.«
    Damit verschwand sie wieder.
    »Ach, ich Ärmster«, jammerte Jack und streckte sich auf der Bank vor dem Häuschen aus.

    Die Sonne ging ziemlich rasch unter, mit einem Mal war es Nacht. Über den Hügeln stieg der Vollmond empor. Im Häuschen ging das Licht an; der einladende Schein fiel bis auf den Hof hinaus. Jack regte sich im Schlaf, wälzte sich auf die Seite und fing an zu schnarchen.
    »Aber seht doch!«, nahm Mutter Gans den Faden wieder auf. »Dort, im Garten! Da tut sich was.«
    Die Musik wurde jetzt geheimnisvoll … es klang wie eine Flöte auf einem orientalischen Basar.
    Tatsächlich - im Garten rührte sich etwas. Erst erhob sich eine Art grüner Faden - nein, eher ein grünes Seil - schlangengleich von der Erde, schaukelte und wand sich wie eine Kobra im Korb eines Fakirs, bis das obere Ende nicht mehr zu sehen war.
    Während die Nacht wieder zum Tag wurde, wuchs der Bohnenstängel weiter gen Himmel und wurde dicker und dicker, bis er wie ein smaragdgrüner Baum im Garten stand und das Häuschen zwergenhaft aussehen ließ.
    Wieder ertönte die »Morgenstimmung«.
    Jack streckte sich gähnend und erhob sich schwerfällig von der Bank. Die Hände in die Hüften gestemmt, beugte er sich unmöglich weit nach hinten, um die steifen Glieder zu lockern. Da erblickte er die Bohnenranke.
    Er taumelte rückwärts, als hätte ihn jemand geohrfeigt, kämpfte um sein Gleichgewicht und ließ die Arme kreisen wie Windmühlenflügel.
    »Mutter!«, rief er gellend. »Mutter! Mutter! Mutter! Mutter!«
    Die alte Dame kam sofort heraus, mit einem Besen in der Hand, und Jack tanzte im Kreis um sie herum und zeigte immer wieder auf den Garten.
    »Ihr müsst wissen«, sagte Mutter Gans, »dass es sich bei den Bohnen um Zauberbohnen handelte, aus denen in der Nacht eine Bohnenranke gewachsen war, die bis über die Wolken reichte.«

    Da ja nun wirklich jeder das Märchen von Jack und der Bohnenranke kennt, brauche ich es hier nicht in epischer Breite wiederzugeben. Jedenfalls nahm die Geschichte in der folgenden Stunde ihren seit Hunderten von Jahren immer gleichen Lauf: Jack klettert an der Bohnenranke hoch, gelangt in das Schloss in den Wolken, die Frau des Riesen versteckt Jack im Ofen, die Zauberharfe, die Säcke mit Silber und Gold - alles war da, zum Leben erweckt von Ruperts unbestrittenem

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