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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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dabei hatte ich es gar nicht so gemeint.
    »Es ist ein paar Jahre her, noch vor Robins Tod war es. Bevor Grace so wunderlich wurde. Wenn man sie heute so sieht, traut man ihr das gar nicht zu, aber sie sah echt umwerfend aus.«
    »Sie kommt mir sehr traurig vor.«
    »Traurig? Traurig ist wohl nicht das richtige Wort dafür, Flavia. Zerbrochen trifft es eher. Dieser kleine Junge war ihr ein und alles. An dem Tag, an dem er starb, ist ihre Sonne erloschen.«

    »Warst du damals auch hier?«, fragte ich leise. »Das muss doch auch für dich schwer gewesen sein.«
    Sie redete weiter, als hätte sie mich gar nicht gehört.
    »Gordon und Grace hatten Robin immer wieder von ihren idyllischen Flitterwochen am Meer erzählt, und natürlich wollte der Kleine dann auch einmal hin: an den Strand, Muscheln sammeln, mit Eimer und Schaufel Sandburgen bauen, Eis essen, die Badekarren sehen.
    Er hat davon geträumt. ›Ich hab vom Meer geträumt, Sally!‹, hat er mir mal erzählt. ›Das Wasser hat mich hin- und hergeschaukelt wie einen rosa Ball.‹ Armes Kerlchen.«
    Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Overalls eine Träne ab.
    »Herrje - warum erzähl ich dir das eigentlich alles? Ich muss verrückt sein.«
    »Ist schon gut«, erwiderte ich. »Ich sag es ganz bestimmt nicht weiter. Ich kann sehr gut Dinge für mich behalten.«
    Zum Beweis meiner ehrlichen Absichten legte ich eine Hand aufs Herz und hob die andere zum Schwur.
    Sally warf mir einen seltsam scheuen Blick zu und erzählte dann weiter:
    »Irgendwie war es ihnen gelungen, ein wenig Geld für Robins Geburtstag auf die Seite zu legen. Weil die Ernte kurz bevorstand, konnte Gordon nicht weg. Aber sie kamen überein, dass Grace ein paar Tage mit Robin ans Meer fahren sollte. Es war das erste Mal, dass Mutter und Sohn ohne Gordon irgendwo waren, und das erste Mal, dass Grace in Urlaub fuhr, seit sie selbst ein Kind gewesen war.
    Es war heiß, sogar für Ende August. Grace mietete sich einen Liegestuhl und kaufte sich eine Zeitschrift. Sie sah Robin mit seinem Eimerchen am Strand spielen. Sie wusste, dass ihm nichts passieren konnte. Sie hatte ihn vor den Gefahren von Ebbe und Flut gewarnt, und Robin war ein folgsamer kleiner Junge.
    Grace döste ein und schlief stundenlang. Sie hatte gar nicht
gemerkt, wie furchtbar erschöpft sie war, bis sie schließlich aufwachte und sah, wie weit die Sonne weitergewandert war. Die Ebbe hatte eingesetzt, und Robin war nirgends zu sehen. Hatte er ihre Warnungen missachtet und war ins Meer hinausgezogen worden? Aber es hätte ihn doch sicher jemand gesehen. Irgendjemand hätte sie doch sicher geweckt.«
    »Weißt du das alles von Grace?«, fragte ich.
    »Um Himmels willen, nein! Das kam alles bei der Anhörung heraus. Die Beamten mussten ihr die Würmer einzeln aus der Nase ziehen. Grace war fix und fertig. Sie hatte zu viel Zeit damit vergeudet, am Strand auf und ab zu laufen und nach Robin zu rufen. Sie war am Wasser entlanggerannt und hatte gehofft, irgendwo seine rote Badehose zu sehen, ihn zwischen den anderen Kindern zu entdecken, die in der Nähe des Wassers spielten.
    Dann lief sie wieder am Strand auf und ab und fragte andere Badegäste, ob sie einen kleinen Jungen mit blonden Haaren gesehen hätten. Natürlich war es hoffnungslos. Der Strand wimmelte von Kindern, auf die diese Beschreibung passte.
    Und dann sah sie es, mit ihren von der Sonne geblendeten Augen: Im Schatten unter der Uferpromenade hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Sie brach in Tränen aus und ging langsam auf sie zu, denn ihr war klar, was sie dort erwartete: Robin war ertrunken, und die vielen Leute standen um ihn herum und glotzten. Schon jetzt hasste sie diese neugierige Meute.
    Aber als sie näher kam, brandete Gelächter auf, und sie drängte sich durch die Menge, ohne sich darum zu scheren, was die Leute dachten.
    Es war ein Kasperletheater. Und davor saß ihr Robin, dem vor Lachen die Tränen nur so übers Gesicht liefen. Sie packte ihn und drückte ihn an sich und wagte es kaum, mit ihm zu schimpfen. Schließlich war es ihre eigene Schuld gewesen: Sie war eingeschlafen, und Robin war vom Kasperletheater angelockt
worden, so wie es jedem anderen Kind auch ergangen wäre.
    Sie trug ihn über den Strand, kaufte ihm ein Eis und dann noch eins. Dann rannte sie mit ihm zu der kleinen Bude zurück, um sich die nächste Vorstellung anzusehen, und sie lachte laut mit ihm, und sie schrie genau wie er: ›Pass auf!‹, als Kasper dem Polizisten den Knüppel

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