Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
Helene?
„Unser gnädiger Gott hat seine Stimme erhoben und mich ihn hören lassen in seiner unendlichen Güte und Großzügigkeit.“ Unentwegt singend, fasste sie Meinhard energisch am Arm und bugsierte ihn zu einem Stuhl neben dem Sockel. Sie drückte ihn auf das Polster. „Er ist mir im Traum erschienen, um mir die Kunde von Sentas Tod zu überbringen.“ Allmählich schlich sie sich aus diesem seltsamen Singsang und ging in einen annähernd normalen Tonfall über. „Und er hat mir versichert, dass er selbst Senta zu sich gerufen habe.“
Noch merkwürdiger als ihre haarsträubenden Behauptungen war Meinhards Reaktion darauf. „Ist das wahr? Gott ist dir wieder erschienen?“, fragte er mit Augen, die groß und auf einmal tränennass und von einer kindlichen Sehnsucht erfüllt an Helenes Lippen hingen. „Und er hat über meine Senta gesprochen?“
Helene nickte ihm zu – salbungsvoll wie ein Priester. Und auch ihre Stimme klang wie die eines Pfarrers im Gottesdienst. Getragen und feierlich. „Er hat mir eine Botschaft für dich mitgegeben“, fuhr sie fort. Zögerte dann. Offenbar folgte sie keiner zuvor ausgeklügelten List, sondern dachte sich all das just in diesem Moment aus.
Meinhard bemerkte das nicht. Mit geradezu seligem Ausdruck ließ er seinen Blick auf Helene ruhen, geduldig wartend, bis sie fortfahren würde. Was die da trieb, war offensichtlich nichts Neues für ihn.
Das ist er, der Einfluss, von dem sie geredet hat, erkannte Mila da. Wie klug von ihr – Meinhards wunden Punkt zu nutzen. Und wie gerissen, den dann mit ihrer eigenen allseits bekannten Frömmigkeit zu verknüpfen! Sie mustere die Junkfrau in ungläubiger Bewunderung.
„Er lässt dir ausrichten, dass es Senta gut geht in seinem Paradies“, hatte die zwischenzeitlich ihren Faden wiedergefunden. „Und dass Mila ...“
„Hast du Sentas Seele persönlich gehört?“, hauchte Meinhard ehrfürchtig dazwischen.
„Äh ... Nein, das ...“ Das war Helene nun wohl doch zu unheimlich. „Ich kann nicht mit Toten reden.“
„Oh.“ Meinhards Enttäuschung ließ ihn auf seinem Stuhl regelrecht in sich zusammensacken.
„Aber Sentas Seele war bei Gott, als er zu mir gesprochen hat“, platzte Helene da heraus.
Da war Meinhard wieder auf den Beinen, bei Senta, ihre steife Hand hochzerrend, um neue Küsse darauf zu verteilen. „Meine Liebste, ich würde alles darum geben, wenn ich noch ein einziges Mal mit dir ...“ Er schluchzte.
„Beruhigt Euch, Vater. Gott hat mir versichert, dass es ihr gut geht.“ Helene war anzuhören, dass ihr seine Trauer naheging.
Auch Mila schluckte trocken.
„Dort, wo sie ist, ist sie sicher und glücklich und ...“
„Glücklich ohne mich?“ Meinhard stob entsetzt zu ihr herum.
„Oh, sie vermisst Euch natürlich“, beteuerte Helene hastig. „Aber sie ist ja in der Ewigkeit, da dauert es für sie gar nicht lange, bis auch Ihr ...“ Sie räusperte sich dezent. „Jedenfalls erwartet sie Euch, bis Ihr nachkommt und sie wieder mit Euch vereint sein wird.“
„Im Himmel?“ Meinhards Stimme brach. „Ich werde doch nie ...“
In diesem Moment blitzte etwas in Helenes Augen. Ja, Mila war sicher, Zeugin geworden zu sein, wie Helenes Plan ihres weiteren Vorgehens geboren worden war.
„Senta lässt Euch sagen, dass es noch nicht zu spät ist für Euer Seelenheil“, begann sie vorsichtig mit der Vorbereitung.
Mila musste sich von innen in die Wangen beißen, um ihre Aufregung aus ihrer Miene zu bannen. Da war er. Der Ansatzpunkt, der Helene die nötige Macht über Meinhard verschaffen würde.
Der umarmte den toten Arm seiner Liebsten, schunkelte ihn wie einen Säugling an seiner Brust hin und her und weinte stumm vor sich hin. „Das kann nicht sein. Nicht bei meinen Sünden.“
„Nein, wirklich.“ Das Gesicht voller Mitleid, war Helene an ihn herangetreten und strich ihm vorsichtig über den Rücken. „Senta hat den Herrgott angefleht, Euch wiedersehen zu können. Ihr wisst ja, wie überzeugend sie sein kann, Ihr habt es mir so oft erzählt, erinnert Ihr Euch?“
Unter Tränen hob Meinhard den Kopf, blinzelte Helene an. In der Grimasse, die er zog, erkannte Mila erst auf den zweiten Blick ein herzzerreißendes Lächeln.
„Senta hat wie mit Engelszungen geredet, und sie hat sogar dem Herrgott das Versprechen abgerungen, dass Ihr doch noch in den Himmel kommen könnt.“
„Das kann doch aber nicht wahr sein“, brummelte Meinhard vor sich hin. „Das kann doch nicht
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