Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
– der irgendwie eingekniffene Hintern und die hängenden Schultern - dass er Angst hatte. Ja, es war offensichtlich, es ging ihm richtig schlecht.
Hätte Matthias fliehen wollen – einen passenderen Moment würde es dafür wohl nicht mehr geben. Aber dort oben war Mila. Darüber hinaus, vielleicht miterleben zu können, wie sich Johanns Schicksal erfüllte, übte unzweifelhaft eine morbide Faszination auf Matthias aus. Und so folgte er Johann bergauf, Heinrich hinter sich.
Die Höhle des Löwen präsentierte sich im grellen Mittagslicht ganz ruhig, als wäre nichts. Keinerlei Leben schien dort stattzufinden, die Baugerüste lagen verlassen. Dennoch war nicht zu übersehen, die Burg war gewachsen. Nach innen und nach außen.
Genauere Unterschiede in Augenschein zu nehmen, hatte Matthias jedoch keinen Nerv, denn sie hatten das äußere Burgtor durchschritten und gingen auf das innere Tor zu. Das eindeutig bewacht war, wenngleich die Wachen es sich im Schatten bequem gemacht hatten.
Wenn Johann sein 'Gefangener' wieder in den Sinn kommen würde, mochte der Kerker die nächste Station für Matthias sein.
Auch Heinrich schien das so zu sehen, drückte sich an ihm vorbei und gesellte sich an die Seite seines Herrn. „Wachen“, rief er, deutlichen Unwillen in der Stimme, „übernehmt die Pferde. Gepäck in die Wachstube!“ Ungewohnt gebieterisch wies er auf die Tiere, ehe er sich an Johann wandte. „Herr, Ihr wollt sicher gleich zu Eurem Vater.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich an die Männer, die sich hastig erhoben hatten und heraneilten: „Wo finden wir den Grafen?“
Die Wachen standen vor Johann stramm. Der Dickliche stotterte, sichtlich erschrocken: „In der Kapelle, Herr.“
Heinrich nickte, packte Johann am Arm, winkte Matthias „Kommt.“
Johann hatte kein Wort gesprochen, nur blass genickt, sich von Heinrich am Arm vorwärts ziehen lassen. Und so liefen sie nebeneinander auf das herrschaftliche Hauptgebäude zu.
Das da war er doch! Mila starrte auf das befremdliche Bild, das sich ihr bot. Graf Meinhard höchstpersönlich kniete neben der auf einem steinernen Sockel aufgebahrten Senta, seinen Kopf auf den Rand gelegt. Schluchzte er? So genau konnte Mila das in dem trüben Licht nicht erkennen. Allerdings schien ihr, als bebte sein Körper in regelmäßigen Abständen.
Helene neben ihr schien von dem Anblick ebenso erschüttert wie sie. Still standen sie nebeneinander und beobachteten Tyrols Begründer, wie der im Klang der berauschendsten Musik, die Mila je gehört hatte, elend neben seiner toten Lieblingskonkubine kauerte.
Mila betrachtete Senta. Sie hatte sie so sehr gemocht. Es war schon seltsam, dass es in ihrem Leben mehrere Frauen gab, für die sie Gefühle wie für eine Mutter hegte, ohne je eine leibliche gehabt zu haben.
Aber das war jetzt egal. Senta war tot, auch wenn sie wirkte, als würde sie schlafen. Von der dunkel verfärbten Nasenspitze mal abgesehen. Ob das schon die einsetzende Verwesung war? Oder hing das mit den Krankheitsanzeichen zusammen, die sie bei Senta beobachtet hatte? Sie würde Tante Käthe fragen, wenn sie ... tja, wenn sie dies hier überleben sollte.
Schnell schüttelte sich Mila diesen Gedanken aus dem Sinn, konzentrierte sich lieber auf Senta.
Ihren Kopf leicht Meinhard zugeneigt, schien diese leise zu lächeln. Friedvoll.
Die Musik wurde leiser, verklang schließlich.
Im leisen Hall der letzten Töne hörte Mila, wie sich Helene neben ihr vorsichtig räusperte und dann einen Schritt nach vorn machte, auf Meinhard zu. Auch Mila wappnete sich. Jetzt gleich würde sie ihm gegenüberstehen. Jede Faser ihres Körpers angespannt, starrte sie nach vorn. Wo sie nicht hinwollte. Nein, niemals. Lieber ...
Helene neben ihr erstarrte, als Meinhard unverhofft den Kopf hob und Senta betrachtete.
„Meine Liebe, mein Liebstes“, raunte er, zog sich an der Steinkante schwerfällig auf die Füße, neigte sich schließlich über den Sockel, als wollte er Senta küssen. Doch er stutzte. „Du liegst ja ganz schief.“ Und schon hatte er seine Hände um Sentas Kopf gelegt und ruckte kurz daran.
Sentas Leiche musste schon erstarrt sein, der ganze Körper wankte unter Meinhards Rucken, verrutschte mitsamt des edlen Tuchs, auf dem sie gebettet lag. Dennoch blieb sie, als Meinhard sie losließ, in ihrer schiefen Haltung liegen.
Der schüttelte den Kopf. „So geht das nicht“, murrte er und legte erneut Hand an. Diesmal drückte er mit der Linken
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