Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
erschien dort ein einzelner Balken, klein und dünn – wie ein gottverdammter Strohhalm.
Doch Peter zögerte nicht, sondern griff danach.
Immerhin, dachte er, blieb ihm nichts anderes übrig. Er musste Davis in New York informieren. Musste Bescheid geben, dass seine Jagd erfolgreich gewesen war und er Claire Hagen gefunden hatte.
Und wer weiß, dachte Peter, vielleicht hatte er Glück und Davis schickte sofort einen Hubschrauber, der ihn und seine Gefangene abholte. Dann konnte er sich den weiten Weg zurück in die Zivilisation sparen. Genau darauf, dachte er, konnte er nach all den Anstrengungen verdammt gut verzichten.
Noch während er darüber nachdachte, wählte er die Nummer seines Vorgesetzten, Edgar Davis.
Gleich darauf konnte er hören, dass es auf der anderen Seite der Leitung zu klingeln begann. Es war jedoch ein schwacher Laut, der immer wieder von einem kräftigen Rauschen unterbrochen wurde.
Nach dem vierten Klin geln ging Davis schließlich ran. Doch seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ständig ging sie in den Störgeräuschen unter, die in der Leitung herrschten - fast so wie bei einem Überseegespräch von vor dreißig Jahren:
„Oh, mein Gott, Peter“ , sagte Davis, „ich versuche schon seit einer Stunde, dich zu erreichen. Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?“
„Ja“, antwortete Peter, „ja, es geht mir gut. Wir haben Claire Hagen gefasst, Ed. Wir haben sie tatsächlich gefunden.“
Diese Nachricht löste bei Davis jedoch nicht den Freudentaumel aus, den Peter erwartet hatte:
Kein Lob, keine Glückwünsche – nichts.
Davis überging seinen Triumph sofort, so als hätte er ihn gar nicht gehört und im gleichen Augenblick überkam Peter eine dunkle Vorahnung.
„Ich habe vor etwa einer Stunde die Akte von Walter Ginsb erg erhalten. Halt dich fest…hörst du mich, Peter?“
Die Verbindung wurde schlechter.
„Ja“, schrie Peter, so als wollte er das Rauschen in der Leitung übertönen „ja, ich höre dich. Also, was ist los mit Ginsberg.“
Rauschen, nichts als Rauschen. Nur noch vereinzelte Fetzen von Davis Stimme waren zu hören:
„…ist tot.“
Peters Herz setzte einen Schlag aus. Gleichzeitig ging ein warmer Schauder durch seine Glieder.
Was zum…?
„Bitte wiederholen“, schrie Peter aufgeregt, „ich habe kaum etwas verstanden, Eddie.“
Seine Aufregung wuchs mit jeder Sekunde.
… ist tot…
„Ich sagte: Walter Ginsberg ist tot, Peter. Er ist letzten Monat an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben und wurde in seiner Heimatstadt , in Wisconsin, beigesetzt. Wer auch immer dort bei dir ist – es ist mit Sicherheit nicht Walter Ginsberg. Sieht so aus, als wurden wir infiltriert. Also sag mir jetzt bitte sofort, wo du steckst. Wo zum Teufel bist du, Peter?“
Peter konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Angst schlang sich mit einem Mal um seine Brust und schnürte ihm die Luft ab.
Mit weit aufgerissenen Augen stand er da und blickte hinab auf die Stadt, aus der er gerad e gekommen war. Doch er riss sich sofort wieder am Riemen und verdrängte die Furcht, die seine Gedanken umschlossen hielt und sie lähmte.
Er wollte Davis gerade antworten und ihm sagen, dass er in Plain Rock war. Wollte Bescheid geben, dass er in der Klemme saß und Verstärkung brauchte.
Doch im gleichen Augenblick vernahm Peter hinter sich ein Geräusch. Es klang wie…
… Kieselsteine, die hinunter ins Tal rieselten.
Gleich darauf kapierte er, was das zu bedeuten hatte:
Schritte…
Es waren Schritte, die er hinter sich gehört hatte.
Peter wollte sich gerade umdrehen, als ihn auch schon der Schlag traf.
Es war ein kräftiger Hieb ins Genick.
Gezielt und gekonnt ausgeführt.
Peter verlor sofort das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Das Mobiltelefon glitt ihm aus der Hand und ihm wurde schwarz vor Augen.
Gleich darauf knallte er mit dem Kopf hart gegen einen flachen Stein und blieb benommen liegen.
Los, steh auf verdammt, steh auf…
Sterne tanzten vor seinen Augen, während sich im Osten bereits eine blasse Mondsichel am Himmel abzuzeichnen begann. Sie sah aus wie ein milchiges Auge, das von hoch oben auf ihn herabblickte.
Ein milchiges, böses Auge, dachte Peter und zwang sich schließlich dazu, wieder aufzustehen.
58.
Andy hatte Angst.
Die Kreatur hielt ihn noch immer umschlungen, wie eine Würgeschlange ihre Beute. Er konnte sich keinen Millimeter weit rühren, geschweige denn, nach dem Revolver greifen, der noch immer hinter seinem
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