Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
vielleicht ein paar ruhige Jahre und einen möglichst schmerzfreien Tod.
Seit seine Frau Myra letzten Herbst gestorben war, dachte Teddy ständig an den Tod. Er empfand weder Wehmut noch Angst bei dem Gedanken, in eine Kiste gesteckt und in der Erde verbuddelt zu werden.
Was ihm in letzter Zeit jedoch wirklich Angst bereitet hatte, war die Sehnsucht danach, allem endlich selbst ein Ende zu bereiten:
Der Einsamkeit, den Sorgen und der Angst davor, früher oder später auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Nächtelang war er am Küchentisch gesessen und hatte die Pistole betrachtet, die vor ihm auf der Tischplatte lag. Es war ein Colt Government – eine handliche Waffe, mit einem sehr langen Lauf. Einem Lauf, der sich perfekt dazu eignete, tief in den Mund geschoben zu werden, bevor man die Wand hinter sich mit seinem eigenen Gehirn tapezierte.
Teddy war dagesessen und hatte die Waffe angestarrt. Er hatte mit den Fingern darüber gestrichen und d ie Rundung des Abzugs liebkost wie die empfindlichen Stellen einer Geliebten. Trotzdem hat er niemals den Mumm dazu aufgebracht, sie gegen sich selbst zu richten. Einige Male war er zwar kurz davor gewesen, hatte dann aber doch einen Rückzieher gemacht.
Auch damals war es nicht die Angst vor dem Tod gewesen, die ihn davon abgehalten hatte. Es war auch nicht die Furcht davor gewesen, seine Angehörigen zu traumatisieren. Denn nachdem sein einziger Sohn vor Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war und der Krebs seine geliebte Myra unter die Erde gebracht hatte, war niemand mehr übrig, den Teddy mit seinem Selbstmord hätte traumatisieren können.
Es gab niemanden...
Trotzdem hatte er es nicht getan.
Und der Grund dafür war, dass er die Vorstellung nicht ertragen konnte, so gefunden zu werden, wie man für gewöhnlich all die Menschen fand, die sich die Rübe wegschossen:
Mit entstelltem Gesicht und inmitten einer stinkenden Lache aus Blut und Fäkalien.
Nein , darauf konnte Teddy getrost verzichten. So sollte ihn niemand sehen – nicht einmal die Jungs vom Bestattungsinstitut.
Stattdessen hatte er eine andere Idee gehabt. Eine Idee, die er schon seit jener Zeit mit sich herumtrug, als er noch nicht einmal alt genug gewesen war, um sich an der Tankstelle ein Sixpack Bier zu kaufen. Fünfzig lange Jahre mussten ins Land gehen, ehe er endlich Mut fasste, diese Idee – diesen verrückten Traum - endlich in die Realität umzusetzen.
Doch nachdem der Entschluss gefasst war, ging alles sehr schnell: Eines Morgens war er aufgestanden, hatte sich angezogen und war mit dem Bus in die Stadt gefahren. Keine zwei Stunden später war auch schon alles unter Dach und Fach gewesen:
Er hatte sich ein Motorrad gekauft.
Es war zwar schon einige Jahre alt und der Lack war etwas zerkratzt, doch die Maschine war nach wie vor gut in Schuss. Der Motor schnurrte wie ein Kätzchen und die komplette Elektronik war vom Händler rundum erneuert worden. Teddy konnte sein Glück kaum fassen, als er vom Hof des Gebrauchtwagenhändlers fuhr und in den Verkehr einscherte.
Jedes Mal, wenn er am Gas drehte, ging ein fiebriger Schauer durch seine Glieder und sämtliche Härchen auf seinem Körper stellten sich auf. Mit einem Mal fühlte er sich nicht mehr wie der alte Sack voll Knochen, der er in Wirklichkeit war. Denn plötzlich überschlug sich auch endlich wieder die alte Pumpe in seiner Brust, während die Tachonadel des Motorrades langsam auf 60 Meilen in der Stunde zukroch.
Doch das war al les nichts im Vergleich zu dem Gefühl der Freude, das Teddy überkam, als er zum ersten Mal seit Monaten wieder spürte, am Leben zu sein.
Seither war kein Tag mehr vergangen, an dem er nicht zumindest eine kurze Runde mit dem Motorrad gedreht hatte. Er war die Hauptstraße rauf und runter gefahren, hatte die Stadt mehrmals auf dem Highway umkreist und war bis zu den Ausläufern der Appalachen gefahren.
Und genau dort , am Fuße des Mount Washington, hatte ihn eines Tages die Neugier gepackt. Die Neugier darüber, was sich wohl hinter all diesen Bergen befand. Und auch Neugier, ob es einem alten Sack von 69 Jahren gelingen würde, dieses Geheimnis zu lüften.
Natürlich hatte Teddy gewusst, was sich hinter den Bergen befand: Städte, Felder und vielleicht noch mehr Berge. Doch darum ging es ihm bei seiner Überlegung nicht. V ielmehr war er es leid, immer in dem gleichen kleinen Kaff zu sitzen und immer die gleiche Luft zu atmen.
Er wollte weg, wollte sich das Land ansehen, für das
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