Fleisch und Blut
Tasche des Jacketts gestopft worden und zog es an einer Seite herunter, was ihm ein schiefes Aussehen verlieh. Drei schwarze Plastikkugelschreiber steckten in seiner Brusttasche. Eine Hornbrille baumelte an einer Kette um seinen Hals.
Er kam am Aufzug an, als die Tür sich öffnete, ließ mir den Vortritt, trat dann ein und blieb neben der Tür stehen. Er stellte die Aktentasche auf den Boden, tippte auf den PS-Knopf und sagte mit einer angenehmen Stimme: »Und Sie?« Gerade Nase, gerader Mund, kleine Ohren, festes Kinn. Nicht unproportioniert, aber irgendetwas - ein Verschwimmen der Konturen - verhinderte knapp, dass man ihn als gut aussehend bezeichnet hätte. Die Aufschläge seines Sportjacketts waren aufgeraut, wo sie sein Hemd berührten. Zwei weiße Fäden hatten sich aus seinem Hemdkragen gelöst.
»Gleichfalls, danke«, sagte ich.
Er drehte sich um und bot mir einen Blick auf seine kahle Stelle. Mir fiel ein angelaufenes Goldmonogramm über dem Verschluss der Aktentasche auf. BJD. Während wir hinunterfuhren, begann er zu pfeifen, und seine Hände wurden aktiv - Finger trommelten, klopften, streckten und krümmten sich. Unten an seinem rechten Ohrläppchen hatte er sich beim Rasieren geschnitten, und ich entdeckte ei- nen weiteren Schnitt an seinem Unterkiefer. Er roch nach Seife und Wasser.
Erhörte auf zu pfeifen. Sagte: »Entschuldigung.«
»Keine Ursache.«
»Früher wurde man mit Musik berieselt. Irgendjemand muss sich beschwert haben.«
»Die Leute neigen dazu.«
»Das tun sie allerdings.«
Bis wir P3 erreichten, wurden keine Worte mehr gewechselt, und ich blieb zurück, als er auf das Parkdeck hinaustrat. Als er forsch auf einen Gang in der Nähe zuschritt, stand ich hinter einem Betonpfeiler und sah zu.
Sein Wagen war eine weiße Volvo-Limousine, ein schlichtes Modell, mehrere Jahre alt. Kein Diebstahlalarm, und er hatte die Tür nicht abgeschlossen. Er warf die Aktentasche auf den Beifahrersitz, setzte sich hinter das Steuer, ließ den Motor an und setzte zurück, kalkweiße Dämpfe ausstoßend. Ich lief drei Stockwerke zur Eingangshalle hoch und ging auf den Seville zu, als ich ihn auf dem Wilshire Boulevard in westlicher Richtung davonfahren sah.
Zum Strand? Nach Malibu?
Er war zehn Querstraßen vor mir, und ich musste mehrfach gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen, um zu ihm aufzuschließen. Ich blieb in einer benachbarten Spur zwei Wagenlängen hinter ihm und versuchte ihn zu beobachten. Er hatte beide Hände am Lenkrad; seine Lippen bewegten sich, und sein Kopf wackelte auf und ab. Entweder ein Autotelefon, oder er sang vor sich hin. Ich vermutete Letzteres: Er machte einen völlig entspannten Eindruck.
Er fuhr zu Long's Drugstore in Santa Monica, blieb zehn Minuten drinnen, kam mit einer großen Tüte voller Sachen wieder heraus, fuhr erneut auf den Wilshire und dann bis zur Kreuzung Broadway und Seventh, wo er vor einem schmalen viktorianischen Haus mit weißen Schindeln anhielt, das einmal dreistöckig gewesen war und nun THE PACIFIC FAITH APOSTOLIC CHURCH beherbergte. Eins der wenigen alten Häuser, die das Northridge-Beben überstanden hatten.
Die weißen Bretter waren frisch gestrichen worden, und ein adretter Palisadenzaun schottete den Hof der Kirche ab. Sandkästen und Schaukeln, Rutschbahnen und Klettergerüste. Drei Dutzend zumeist braunhäutige und dunkelhaarige Zwerge rannten und sprangen und riefen durcheinander und hockten im Sand. Drei junge Frauen, die ihre Haare zu Zöpfen geflochten hatten und lange Kleider in verwaschenen Farben trugen, sahen vom Rand aus zu. Ein über den Zaun gehängtes Transparent verkündete in Regenbogenfarben: FAITH-KINDERGARTEN, FRÜHJAHRSAN-MELDUNG NOCH OFFEN.
Dr. Benjamin Dugger parkte am Bordstein, ging durch das Palisadentor und betrat die Kirche. Falls ihn Sünden belasteten, sah man es seinem federnden Schritt nicht an. Er blieb fünfzehn Minuten drinnen und tauchte ohne die Tüte aus dem Drugstore wieder auf.
Zurück zum Wilshire Boulevard. Sein nächster Halt war ein Fish-and-Chips-Laden in der Nähe der Fourteenth Street, den er mit einer anderen Tüte, kleiner und fettfleckig, wieder verließ. Das Mittagessen wurde auf einer Bank im Christine Reed Park hinter den Tennisplätzen eingenommen, wo ich vom Seville aus beobachtete, wie er Fritten und irgendetwas Paniertes in seinen Mund schob und aus einer Coladose trank; die Reste teilte er mit den Tauben. Eine Viertelstunde später war er wieder auf dem Wilshire,
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