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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Grenzübertritt. »Ich dachte, Sie wären von UPS.« Ihr Akzent war stärker als der ihres Mannes. Oder vielleicht bewirkte das die Besorgnis. Wer hat schon gern die Polizei an einem sonnigen Nachmittag bei sich auf der Matte stehen?
    »Erwarten Sie eine Sendung?«
    »Ich - ich sollte Künstlerbedarf geschickt bekommen. Von zu Hause. Ist irgendwo in der Nähe ein Verbrechen passiert?«
    »Nein, alles in Ordnung. Wo kommen Sie her?«
    »Aus Holland ... Warum sind Sie hier?«
    »Kein Grund zur Sorge, Ma'arn, wir wollten nur mit Professor de Maartens sprechen. Ist er zu Hause?«
    »Sie wollen mit Simon sprechen? Worüber?«
    »Über eine seiner Studentinnen.«
    »Eine Studentin?«
    »Es ist besser, wenn wir direkt mit dem Professor sprechen, Mrs. de Maartens. Ist er zu Hause?«
    »Ja, ja, ich gehe ihn holen, warten Sie.«
    Sie ließ die Tür offen und ging in Richtung der Musik. Eine große goldgelbe Gestalt erschien. Schwere Hängebacken, kleine strahlende Augen, kurzes Fell, herabhängende Ohren. Ein Retrievermischling mit einem Schuss Dogge irgendwo im Stammbaum.
    Der Hund betrachtete uns eine Sekunde, dann folgte er Anika de Maartens. Kehrte Augenblicke später mit einem Mann im Schlepptau zurück. Mann und Tier gingen im Gleichschritt, wobei die Hand des Herrchens leicht auf dem Hals des Tieres ruhte.
    »Ich bin Simon. Worum geht es?«
    De Maartens war einen Meter dreiundachtzig groß und kräftig gebaut, mit einem whiskeyfarbenen Bürstenschnitt und einem rötlichen Gesicht mit Knollennase und dicken Lippen, das so kreisrund war, wie ich es noch bei keinem Menschen gesehen hatte. Trotz seiner Kleidung - graues Sweatshirt, blaue abgeschnittene Jeans, Gummisandalen - sah er wie ein Bürger von Rembrandt aus, und ich rechnete halb damit, dass er gleich eine Tonpfeife hervorziehen würde.
    »Detective Sturgis«, sagte Milo und streckte ihm die Hand entgegen.
    De Maartens sah daran vorbei und ging weiter auf uns zu. »Ja?« Beim Klang seiner Stimme spitzte der Hund die Ohren.
    Milo wiederholte seinen Namen.
    »Ich habe Sie verstanden«, sagte de Maartens. »Ich bin nicht taub.« Er lächelte, als er und der Hund an der Schwelle stehen blieben. Sein Kopf drehte sich von einer Seite zur anderen, und er starrte ausdruckslos, fixierte einen Punkt zwischen Milo und mir. In dem Moment sah ich seine Augen: schwarze Halbmonde in bläulichen Höhlen, die so tief waren, dass sie aus seinem Fleisch herausgegraben schienen. Unbewegliche Halbmonde, winzige schwarze Splitter, die sich in stumpfem Schwarz zeigten, kein Glänzen einer Pupille.
    Ein Blinder.
    Die Psychophysik des Sehens bei Primaten. Die Auszeichnung des Braille Institute.
    Er sagte: »Es geht um das Mädchen - Lauren.«
    »Ja, Sir.«
    »Einige meiner Studenten kenne ich«, sagte de Maartens. »Diejenigen, die Fragen stellen, mich in meiner Sprechstunde besuchen. Stimmen, die wiederkehren.« Er berührte ein Ohr. Der Hund sah ihn bewundernd an. »Lauren Teague gehörte nicht zu ihnen. Sie hat eine Eins in dem Kurs bekommen - eine sehr gute Eins, also brauchte sie vielleicht keine Fragen zu stellen. Ich kann ihre Klausuren beibringen, wenn ich nächste Woche wieder in mein Büro komme. Aber im Moment habe ich Urlaub, und ich sehe nicht ein, warum ich damit behelligt werden muss. Was für Erkenntnisse versprechen Sie sich von zwei Klausuren?«
    »Also gibt es nichts, was Sie uns über Ms. Teague sagen können?«
    De Maartens' massige Schultern hoben und senkten sich. Er neigte sein Gesicht in meine Richtung. Lächelte. »Sind Sie das, Dr. Delaware? Gutes Aftershave. Nach Ihrem zweiten Anruf, als ich sauer wurde, habe ich im Fachbereich an- gerufen, um festzustellen, welche Unterlagen man dort über sie hat. Nur ihre Noten. Alles Einsen. Ich hätte nicht sauer werden sollen, aber ich war völlig in eine Sache vertieft, und ich verstand nicht, was das bringen sollte. Versteh ich immer noch nicht.«
    Er kraulte den Hund hinter den Ohren und richtete seine Augenhöhlen wieder auf Milo. »Der Kurs wurde drei Mal während des Quartals in Diskussionsgruppen von annähernd je zwanzig Studenten aufgeteilt, die von wissenschaftlichen Hilfskräften geleitet wurden. Die Gruppen waren freiwillig, die Diskussionsbeiträge wurden nicht bewertet. Das war ein Versuch der Fakultät, die Lehre persönlicher zu gestalten.« Noch ein Lächeln. »Ich habe den Leiter meines Fachbereichs angerufen, und er sagte, es wäre gestattet, Ihnen die Namen der Studenten in Lauren Teagues Gruppe zu

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