Fleisch und Blut
Kleidung in einem Wandschrank, der sehr viel Miete kostete und nach Gras roch, und beschäftigte ehemalige Angestellte zum Streicheln der Kunden.
Das legte den Schluss nahe, dass sie unfähig war, durch Schaden klug zu werden, aber vielleicht hatte Gretchen etwas anderes gelernt, als dass sich Verbrechen nicht lohnen.
Es war leicht, ihren Eltern die Schuld zu geben, aber wie die meisten schnellen Lösungen war das nur eine Ausrede dafür, sich ums Nachdenken zu drücken. Gretchens älterer Bruder hatte sich als Geschwaderarzt bei der Navy ausgezeichnet, und eine jüngere Schwester leitete eine Musikschule in Harlem. Im Anschluss an Gretchens Verhaftung hatte jemand Mittleres-Kind-Syndrom ins Spiel gebracht. Genauso gut hätte man den Mondzyklus anklagen können. Mildrew und Andrea Stengel waren hochkarätige Anwälte, aber nach allem, was man hörte, aufmerksame Eltern. In der Woche nach Gretchens Verurteilung legten sie ihre Partnerschaft nieder und zogen nach Galisteo, New Mexico, angeblich, um »das einfache Leben« zu leben.
Milo und ich gingen bis zu ihrem Tisch. Gretchen musste uns gesehen haben, aber sie ignorierte uns und zwickte den Flusskrebs in den Schwanz. Sie näherte das Tier ihrem Mund, überlegte es sich anders, zog den Arm zurück und ließ den Schwanz des Krustentiers zurückschnellen, als wolle sie es wieder zum Leben erwecken. Dann zurück an ihre Lippen. Sie leckte daran, aber biss nicht zu. Ein angesagter Verhaltenstrick zur Gewichtsabnahme? Spiel mit deinen Kalorien, aber nimm sie nicht zu dir?
In der näheren Umgebung sitzende Gäste starrten allmählich in unsere Richtung. Gretchen reagierte nicht. Ihre Gefährtin besaß nicht Gretchens Gelassenheit und begann mit ihrem Salat herumzuspielen. Jakobsmuscheln auf irgendetwas Grasartigem. Sie war so jung wie Gretchen, hatte kurz geschorenes Haar, hohe Wangenknochen und schräg stehende Augen, trug ein ärmelloses gelbes Sommerkleid, eine Halskette und Ohrringe aus rosaroter Koralle, lange, gebogene Nägel, die in einem helleren Korallenrot lackiert waren. All diese Farben schmerzhaft dramatisch vor makellos schwarzer Haut.
Gretchens Nagelhäute waren ruiniert. Sie hatte einen formlosen schwarzen Pullover und schwarze Leggins an. Ihre Haare sahen aus, als wären sie eine Woche nicht gewaschen worden. Die schwarzen Brillengläser erfüllten ihren Zweck und versetzten sie an einen anderen Ort.
Milo stellte sich so hin, dass er auf die Schwarze hinablächeln konnte. »Hübsches Kleid. Hat es eine Vergangenheit?«
Ein schmerzerfülltes Lächeln war die Antwort.
»Nehmen Sie sich einen Käfer«, sagte Gretchen, den Flusskrebs schwenkend. »Das sind sie in Wirklichkeit, Käfer.« Ihre Stimme war nasal und krächzend. Die Schwarze schnitt eine Grimasse.
»Vielen Dank für die Biologiestunde, Ms. Stengel«, sagte Milo.
Gretchen sagte: »Eigentlich ähneln sie eher Spinnen.« Zu der Schwarzen: »Glaubst du, man kann Spinnen essen?« Ihre Lippen bewegten sich kaum, wenn sie sprach. Die Schwarze legte ihre Gabel hin und nahm ihre Serviette in die Hand.
»Was ist mit Fliegen und Raupen?«, sagte Gretchen. »Oder Nacktschnecken?«
Milo sagte: »Lauren Teague.«
Die Schwarze wischte sich den Mund ab. Gretchen Stengel stieg nicht darauf ein.
Milo sagte: »Lauren -«
»Das ist ein Name«, sagte Gretchen.
Die Schwarze sagte: »Wenn Sie mich bitte entschuldigen«, und erhob sich.
»Bleiben Sie bitte«, sagte Milo.
»Ich muss mal für kleine Mädchen.« Sie griff nach ihrer Tasche auf dem Boden. Milo hatte seinen Fuß auf den Riemen gestellt.
»Bitte«, sagte sie.
An den benachbarten Tischen waren die Gespräche verstummt. Ein Kellner kam herüber. Ein Blick von Milo veranlasste ihn, den Rückzug anzutreten, aber Sekunden später erschien einer der weißbejackten Oberkellner.
»Officer«, sagte er, schlich sich an Milo heran und brachte es fertig, das Wort auszuspucken, während er breiter lächelte, als seine Lippen zuließen. »Sie sind doch ein Polizist?«
»Und ich hatte mir eingebildet, ich wäre subtil.«
»Bitte, Sir, dies ist nicht der richtige Ort und Zeitpunkt.«
Gretchen ließ den Flusskrebs kreisen. Die Schwarze senkte den Kopf.
»Wofür?«, fragte Milo.
»Sir«, sagte Weißjacke. »Die Leute versuchen, ihr Essen zu genießen. Sie sorgen für Unruhe.«
Milo erblickte einen freien Stuhl an einem Nachbartisch, zog ihn herüber und setzte sich. »Passe ich jetzt besser ins Bild?«
»Im Ernst, Officer.«
»Ach, Scheiße,
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