Fleischeslust - Erzaehlungen
Dinosauriern, Laternen zu Giraffen, der Asphalt auf den Straßen brodelte wie ein urzeitlicher Sumpf. Unsere Väter standen mit dem Gartenschlauch in der Hand auf ihren smaragdgrünen Rasenflächen, und sie winkten ihm lässig zu oder wandten sich ab, um einen glitzernden Regen auf die Blumenbeete oder die Forsythien zu versprühen. Wir sprangen auf unsere Räder, von der Aufregung mitgerissen, und fuhren ganz dicht hinter ihm her, hinter dem Nebelmann, kurvten durch die dichten Qualmwolken wie Kampfflieger, die über den Himmel zischen, oder wie Rennfahrer, die in der letzten Runde des Grand Prix am Gegner vorbeiziehen und die Führung übernehmen. Wir bekamen von ihm nichts weiter als jene Augenblicke der Verwandlung, aber wir jagten ihm ebenso zielstrebig nach wie dem Eismann in seinem klingelnden weißen Wagen voller Schoko-Nuß-Tüten und Zitroneneis am Stiel, jagten ihm nach, bis er seine Route durch unsere sechs Straßen beendet hatte – die eine hinauf, die andere hinunter – und dann, Nebelschwaden hinter sich herziehend, auf dem Highway zur nächsten Siedlung davonrumpelte.
Und die Schwaden legten sich, hefteten sich an das taufeuchte, nasse Gras, das Aroma der schwelenden Grillkohlen gewann langsam die Oberhand über den süßlich-narkotischen Duft, und wir waren wieder verschwunden, zerstreuten uns, identische Maschendrahttüren klappten in unseren identischen Häusern, in denen wir den behaglichen Bann des Fernsehens suchten. Mein Vater saß da, wie immer, in seinem Fernsehsessel, eine Hand vor den Augen, um ein imaginäres Blenden abzuhalten, in der anderen die schwitzende Bierdose. Meine Mutter saß daneben, die Beine auf dem Sofa angezogen, im Schoß die Zeitung ausgebreitet, ihren Drink neben sich auf dem überladenen Tisch.
»Der Nebelmann war gerade da«, verkündete ich. Eigentlich erwartete ich keine Antwort – ich sagte das nur so dahin. Die Serie im Fernsehen handelte von einer lächelnden Familie. Alle Serien handelten von lächelnden Familien. Meine Mutter nickte.
Eines Abends fügte ich eine Frage hinzu: »Der sprüht wegen Insekten, oder?« Soviel wußte ich, so war es mir erklärt worden, aber ich wollte Bestätigung, Bekräftigung, ich wollte mein Leben von Vernunft und Verständnis erhellt sehen.
Mein Vater sagte nichts. Meine Mutter sah auf. »Mücken.«
»Ja, das hab ich mir auch gedacht – aber wie kommt’s dann, daß draußen noch so viele sind? Auf der Veranda haben sie mich durchs Hemd gestochen.«
Meine Mutter schnippte die Asche weg und trank einen Schluck. »Alle erwischt man eben nicht«, sagte sie.
Ungefähr um diese Zeit schalteten die Elektrizitätswerke das erste Atomkraftwerk der Welt in Indian Point an. Zehn Jahre zuvor war die Kernspaltung ein Instrument von Krieg und Zerstörung gewesen, nun war sie sicher und beherrschbar: jetzt würde sie unsere Häuser heizen, unsere Lampen erhellen und unsere Stereoanlagen, Toaster und Geschirrspüler betreiben. Die Elektrizitätswerke bemühten sich sehr darum, daß unsere Gemeinde es so sah. Man nannte das Public Relations.
Ich kannte diesen Begriff damals nicht. Ich war elf Jahre, seit kurzem in der letzten Klasse der Grundschule, und wir alle fuhren zum Atomkraftwerk, im Schulbus, der bis zu den großen Fenstern vollgestopft war mit meinen aufgeregten Klassenkameraden. So etwas nannte man Schulausflug. Im Jahr davor waren wir auf einer Farm in Brewster gewesen und im New Yorker Naturgeschichtemuseum. Es war diesmal etwas früh im Jahr, aber das lag daran, daß sich diese erstaunliche, neue technologische Energie in unserer Nachbarschaft befand, diese Revolution in der Stromerzeugung, die unser Leben stromlinienförmiger gestalten sollte. Wir wußten nicht, was uns erwartete.
Der Bus holperte dahin und spotzte Qualm aus. Ich saß auf dem harten Sitz aus gesprungenem Kunstleder neben Casper Mendelson und sah die mächtige graue Betonkuppel, die sich hinter dem Wäldchen erhob und den Gipfel des Hügels ebenso wie den ruhigen, breiten, nach Fisch stinkenden Fluß jenseits davon dominierte. Es war beeindruckend, dieses gewaltige Bauwerk, in dem die Titanenkräfte des Universums zurechtgestutzt wurden. Casper sagte, es könne in die Luft gehen, so wie die Bombe, die sie auf die Japaner geworfen hatten, und daß es ganz Peterskill und Westchester dann mit in den Tod nehmen würde. Der Fluß würde dann verdampfen, übrig bliebe nichts als ein Krater von der Größe des Grand Canyon, und wir würden alle im Bett
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