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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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war ihr Geruch, ein vertrauter gemeinschaftlicher, dauerhafter Geruch – der Geruch eines Teams.
    Ray Arthur Larry-Pete Fontinot wartete schon auf sie, schritt vor der gläsernen Schiebetür auf und ab wie ein Bär im Zoo, geduldete sich aber, bis alle hereingehumpelt waren und einen Sitzplatz gefunden hatten. Moss, DuBoy und Kitwany waren zu seiner moralischen Unterstützung gekommen, ebenso Brian McCornish, der Innenstürmer der fünften Besetzung. Als alle versammelt waren, hob Ray Arthur Larry-Pete den Blick und musterte die vertrauten Mienen seiner Mitspieler. »Ich weiß nicht, ob es irgendwem von euch aufgefallen ist«, sagte er, »aber es ist Montagabend, und wir haben heute nachmittag nicht trainiert.«
    »Amen«, sagte einer, und ein paar von den Jungs fingen an zu feixen.
    Aber das ließ Ray Arthur Larry-Pete Fontinot nicht durchgehen. Er war ein Fels. Seine Züge wurden hart. Er ballte die Fäuste. »Das ist nicht witzig«, stieß er hervor, und seine donnernde Stimme erzeugte sympathetische Vibrationen in den fleckigen, zerbeulten Schirmen der Stehlampen. »Wir haben noch fünf Tage bis zum wichtigsten Spiel unseres Lebens, nicht nur für uns aus dem letzten Studienjahr, sondern für das ganze College, und ich möchte wissen, was wir diesbezüglich unternehmen werden.«
    »Verloren geben werden wir’s.« Das war Diderot, der Quarterback der dritten Garnitur, der als einziger Spieler in dieser zentralen Position ohne Krücken aufrecht stehen konnte. Er lümmelte sich gegen die Wand an der Rückseite des Raums, und nun wandten sich alle ihm zu. »Ich hab mit dem Trainer geredet, und der hat mir’s gesagt.«
    In diesem Moment verlor Ray Arthur Larry-Pete die Beherrschung. »Verloren geben, so ein Scheiß!« brüllte er und ließ den Unterarm samt Gips auf den nächsten Beistelltisch krachen, der unter der Wucht des Schlages prompt zersplitterte. »Los, hoch mit euch«, zischte er seinen Stürmerkameraden zu, und Moss, DuBoy, Kitwany und McCornish erhoben sich neben ihm als menschliche Mauer. »Wir haben vor, sechzig Minuten lang Football zu spielen«, dröhnte er, und die Aufmerksamkeit der anderen hatte er jetzt, soviel stand fest. »Burt, Reggie, Steve, Brian und ich – wir werden beides zugleich spielen, Angriff und Verteidigung, um für Ausfälle mit Beinbrüchen und Gehirnerschütterungen und so weiter einzuspringen –«
    Ein Gemurmel hob an. An der State University gab es Stipendien – und dazu noch Handgelder unter dem Tisch –, dort hatten sie die wirklichen Spitzenspieler, wahre Kolosse und echte Asse, die Sorte, die Scouts aus den Profiteams und damit das große Geld anzogen. In der gegenwärtigen Verfassung gegen sie anzutreten wäre eine Neuinszenierung des Golfkriegs, bei dem Caledonia die Rolle der Iraker spielen müßte.
    »Was ist bloß los mit euch, ihr Muttersöhnchen?« schrie Ray Arthur Larry-Pete. »Habt ihr Schiß, euch die Klamotten dreckig zu machen? Schiß vor ein bißchen Körperkontakt? Was wollt ihr denn – den Rest eures Daseins mit einem Sechsundfünfzig-zu-Null leben? Na? Ich höre nichts mehr.«
    Aber sie hörten ihn. Er flehte und drohte, polterte und schmeichelte, nahm einen nach dem anderen beiseite, schwatzte den halben Abend ins Telefon, bis er heiser war und sein Ohr sich anfühlte wie ein Gummiklumpen, der an seinem Kopf festgeschmolzen war. Letztendlich erschienen sie am nächsten Tag zum Training – dreiundzwanzig Mann hoch, sogar Kitwany, der sich von der Hüfte aufwärts kaum rühren konnte und nicht einmal das Trikot über seine Halskrause brachte –, und Ray Arthur Larry-Pete Fontinot erstieg die drei Stockwerke zum Trainerzimmer, um Trainer Tundra die brandneue versilberte Trillerpfeife zu überreichen, für die alle zusammengelegt hatten. »Trainer«, sagte er, als der verdatterte Mann zu ihm aus dem Schmelztiegel seiner Erinnerungen aufsah, »wir sind bereit, rauszugehen und ihnen in den Arsch zu treten!«
    Der Tag des Spiels dämmerte kalt und unwirtlich, bedeckter Himmel, schneidender Wind und in der Luft eine Ahnung von Schnee. Ray Arthur Larry-Pete hatte die halbe Nacht wach gelegen, sein Gehirn war durch alle Permutationen von Sieg und Mißerfolg gerattert wie ein wildgewordener Spielautomat. Würde er leuchten können? Würde er sein Bestes geben und sich den vier Giganten, der Stürmerreihe von State, ihrem vernichtenden Angriff entgegenstellen können? Und was war mit der Verteidigung? Seit der High-School hatte er nicht mehr als Verteidiger

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