Fleischessünde (German Edition)
Natürlich wusste sie, wem die Kartusche gehörte, aber nicht nur das hatte sie ihm, ohne es zu wollen, verraten, sondern auch gezeigt, dass sie bestürzt war, den goldenen Anhänger in seinem Besitz zu sehen.
„Okay, ich sag’s dir. Ich verschwinde nicht einfach. Ich bin für andere nur nicht zu sehen.“ Als er sich vor drei Jahrhunderten die Fähigkeit des „Sich-unsichtbar-Machens“ zu eigen gemacht hatte, hatte er noch an Magie oder einen Trick geglaubt. Inzwischen sah er das nüchterner und hatte dafür eine eher wissenschaftliche Erklärung. „In einfachen Worten ausgedrückt: Ich kann die Verbindung innerhalb der Moleküle meines Körpers so ändern, dass sie außerhalb des für das Auge sichtbaren Spektrums bleiben.“ Er wartete einen Augenblick ab, und als Calliope nichts dazu sagte, fuhr er fort: „Aber das funktioniert nur bei mir. Ich habe keinen Einfluss auf deine Moleküle oder auf die des Teppichs oder unseres Priesters hier. Und das würde wenig nützen. Du würdest ziemlich viel Aufsehen erregen, wenn du mit einem Teppich auf der Schulter durch die Gegend läufst, der am hinteren Ende frei in der Luft schwebt.“
„Verstehe. Aber warum sieht man dann die Kleidung nicht, die du anhast?“
„Was ich unmittelbar am Körper trage, kann ich noch beeinflussen.“
Sie sah sich nach beiden Seiten um. „Und kannst du dann nicht einfach ein Portal öffnen?“
Malthus war zunächst verblüfft, dass sie von dem Portal wusste. Diese Technik war selbst unter den Supernaturals kaum bekannt. Es war eine Fähigkeit, die nur einigen auserwählten Seelensammlern vorbehalten war und darin bestand, die Energieströme zwischen Ober- und Unterwelt für kurze Zeit zu verbinden und durch diesen „Riss“ zwischen den Welten an einen beliebigen Ort zu gelangen. Dann fiel Malthus ein, dass Gahiji, als er Roxy Tam verfolgt hatte, durch ein Portal bei Calliope in der Wohnung erschienen war. „Das ist im Moment gerade schlecht“, wandte er ein. „Ich will das hier nicht in aller Öffentlichkeit tun. Wir machen normalerweise keine Reklame damit.“
„Auf jeden Fall müssen wir hier weg“, drängte Calliope und bog rasch in eine dunkle Seitenstraße ein. Sie drückten sich gerade rechtzeitig in den Schatten, denn draußen fuhr der nächste Polizeiwagen vorbei.
Sie schulterte den Teppich erneut und wollte weitergehen.
„Warte!“, rief er. Aber sie hörte nicht auf ihn, auch nicht als er den Teppich fester packte und sie mit einem Ruck zum Stehen brachte. Es war die ganze Zeit ein Schieben, Ziehen und Zerren. Keiner von beiden wollte dem anderen das Kommando überlassen. Malthus schoss der Gedanke durch den Kopf, ob es im Bett mit ihr auch so sein würde. Im Prinzip hatte er nichts gegen kleine Machtspielchen – im Gegenteil.
Malthus holte sein Handy aus der Tasche. Calliope protestierte nicht und machte auch keinen Ausreißversuch, wie er es erwartet hatte. Sie stand nur schweigend da. Dann drehte sie sich langsam halb zu ihm um. Nach allem, was er mit ihr in dieser Nacht erlebt hatte, war er auf der Hut. Er konnte sich zwarnicht vorstellen wo, aber irgendeine Waffe könnte sie immer noch bei sich haben. Er musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Dabei ruhte sein Blick wieder auf ihren Brüsten, deren Spitzen sich deutlich unter ihrem hautengen Anzug abzeichneten. Verdammt, sie hatte etwas an sich, das ihn ständig dazu verleitete, mit dem Unterleib statt mit dem Kopf zu denken. Sie weckte eine Neugier in ihm, die ihm Frauen gegenüber bisher unbekannt geblieben war. Er brannte darauf, das Unerforschte zu entdecken.
Malthus zwang sich wegzusehen und wählte eine Nummer. Kai Warin meldete sich. Kai hatte unter Sutekh eine steile Karriere gemacht, von der auch Malthus und seine Brüder überrascht waren. Nachdem sich sein Vorgänger Gahiji als Verräter entpuppt und auf unglückliche Weise buchstäblich den Kopf verloren hatte, war Kai jetzt Sutekhs rechte Hand. Es ärgerte Malthus immer noch, dass er es nicht selbst gewesen war, der Gahiji den Kopf abgerissen hatte.
„Ich brauche hier ein Räumkommando.“ Er gab Kai die Adresse von Kuznetsovs Wohnung und einen kurzen Überblick über die jüngsten Ereignisse. „Ich habe Alastor gebeten, hier etwas abzuholen. Deine Aufgabe wäre es, dich mit einem Wachmann und ein paar Zeugen zu beschäftigen.“
„Moment mal“, unterbrach Calliope ihn. „Was heißt das? Soll er sie umbringen?“
„Was? Sekunde, Kai.“ Malthus nahm das Handy vom Ohr und
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