Fleischessünde (German Edition)
als wir dich hierhergebracht haben.“ Alastor musterte seinen Bruder. „Ist aber schon besser geworden. Wenigstens haben die Xaphanweiber deine hässliche Visage verschont.“
Sutekh blickte von einem zum anderen. Es war ein Blick, als betrachtete er zwei Exemplare einer faszinierenden, aber irgendwie doch abstoßenden Spezies von Insekten. So perfekt seine Mimikry auch sein mochte, in einem unterschied er sich doch. In den Augen. Sutekhs Augen waren schwarz und seelenlos, ohne Ausdruck oder die geringste Tiefe. Malthus’ Augen waren grau und – menschlich.
„Könntest du bitte dein Aussehen ändern?“, fragte Malthus und versuchte, ein freundliches Gesicht dabei zu machen. „Es reicht mir schon, wenn ich meine Verletzungen ertragen muss. Du brauchst sie mir nicht auch noch vor Augen zu führen.“
Sutekh starrte ihn an, und Malthus sah bei ihm ein kleines, verräterisches Zucken unter dem rechten Auge. Es war kaum wahrnehmbar, aber er entdeckte dieses Zeichen von Irritation sofort. Oft genug hatte er es darauf angelegt, genau diese Reaktion bei seinem Vater zu provozieren. Nur jetzt war es nicht seine Absicht gewesen.
Malthus fragte sich, warum es seinen Vater ärgerte, was er gesagt hatte. Ihm fiel nur eine mögliche Antwort darauf ein. Sollte es tatsächlich so etwas wie Mitgefühl sein, dass Sutekh die Gestalt seines so übel zugerichteten Sohnes angenommen hatte? Mitleid? Malthus wusste nicht einmal, ob sein Vater in der Lage war, Schmerz zu empfinden, und demzufolge seine Leiden überhaupt nachvollziehen konnte. Sollte es tatsächlich ein Zeichen väterlichen Zuspruchs sein?
Ein absurder Gedanke. Und so wie er seinen Vater kannte, hatte Sutekh diesen Auftritt eher gewählt, um noch ein wenig Salz in seine Wunden zu reiben. Aber es hatte überhaupt keinen Sinn, die machtbesessenen Gedankengänge seines Vaters verstehen zu wollen. Damit hatte Malthus drei Jahrhunderte lang kein Glück gehabt.
„Es wird bald heilen“, bemerkte Sutekh, ohne durchblicken zu lassen, ob er das gut oder schlecht fand.
Malthus nickte. Er richtete sich im Sitzen auf und sah seine Brüder an. Er musste feststellen, dass sie ihren Preis für seine Rettung bezahlt hatten. Alastors Unterarme waren mit frischen Brandwunden übersät, die gerade vernarbten, ebenso die linke Seite von Dagans Hals und die Gesichtshälfte darüber. Dass die Narben Tage nach der Verletzung überhaupt noch zu sehen waren, bewies, wie stark die Verbrennungen gewesen sein mussten.
„Tut mir leid“, murmelte Malthus.
Dagan zuckte die Schultern. „Alles stand in Flammen. Du, die anderen. Wir mussten uns schon selbst die Finger verbrennen, um dich da herauszuholen. Aber so etwas machen wir ja nicht zum ersten Mal.“
Wohl wahr. Und sicherlich auch nicht zum letzten Mal.
„Das wird schon wieder“, meinte Alastor.
Auch keine Frage. Trotzdem war Malthus gerührt, weil sie sich so für ihn eingesetzt und sich selbst in Gefahr gebracht hatten. Verlegen räusperte er sich und versuchte, rasch das Themazu wechseln. „Und warum habt ihr mich hierher in den Garten gebracht?“
„Gefällt dir das Ambiente denn nicht?“, fragte Alastor.
„Ich meinte nur, warum bin ich hier in der Unterwelt und nicht in meinem Bett?“Gegen den Garten war nichts einzuwenden. Es war schön hier und nicht umsonst Sutekhs Lieblingsplatz. Stunden-, sogar tagelang konnte er hier sitzen und den Nilfischen zusehen, die er sich hatte kommen lassen und die sich nun im Teich tummelten. Malthus vermutete, dass Sutekh den Nil vermisste. Den Nil, Ägypten, die ganze Oberwelt, aus der er seit Jahrtausenden verbannt war.
„Du wärest oben bei dir zu Hause nicht sicher gewesen. Mindestens ein Dutzend der Xaphanbräute kennen deine Adresse.“ Dagan machte eine Pause, als wartete er auf eine Bestätigung, dass die Zahl, die er genannt hatte, ungefähr stimmte. Als Malthus nichts dazu sagte, fuhr Dagan fort: „Wir wollten ihnen nicht die Chance geben, dass sie wieder bei dir auftauchen und sich an dir rächen. Wir haben sie ganz schön aufgemischt.“
Malthus gab ein kurzes, heiseres Lachen von sich. „Erst einmal haben sie mich ganz schön aufgemischt. Und euch ja auch.“ Er wollte schon fragen, warum sie ihn nicht bei sich aufgenommen hatten, aber dann fiel ihm ein, dass sie ja beide inzwischen liiert waren und ihre Frauen bestimmt nicht in Gefahr bringen wollten.
Sutekh trat an Malthus heran. „Du kannst froh sein, dass deine Brüder so rechtzeitig erschienen
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