Flesh Gothic (German Edition)
ging.
Die verschämte Lust bäumte sich in Willis’ Herz auf, als Karen die Tür hinter sich schloss. Sofort begab er sich zum DVD-Player und legte die erste DVD ein, die er fand. Die Bilder zogen ihn schlagartig in ihren Bann, so unrealistisch und übertrieben sie auch sein mochten. Er klickte durch eine Szene nach der anderen, um jedes neue Mädchen zu sehen. Gott , dachte er abwesend. Die ganze nackte Haut. All diese vollen Brüste, gespreizten Schenkel und anzüglich grinsenden Gesichter. Die Frauen waren wunderschön ...
Hör auf, dachte er. Das ist erbärmlich. Und was konnte er hier schon tun? Im Geheimen wichsen wie ein Teenager, der sich im Schrank versteckte? Bei meinem Glück würde jemand reinkommen. Wäre das nicht der Knüller?
In der nächsten Szene kamen zwei junge Frauen mit Rodeo-Drive-Körpern als Zimmermädchen verkleidet in ein Büro. Sie fingen an, mit Staubsaugern und Wedeln herumzuputzen, wobei sie sich ausgiebig vorbeugten. Bald ging das Geschehen in lesbische Spielchen über. Mittendrin platzte der vermeintliche Büroleiter herein, einer von Hildreths mit Kokain aufgeputschten Hengsten. Der Rest war nicht besonders bemerkenswert, aber Willis konnte den Blick nicht losreißen. Etwas an der Szene beschäftigte ihn. Schnell wurde ihm klar, was.
Das Büro kam ihm äußerst vertraut vor.
Es handelte sich um dasselbe Büro, in dem er in diesem Moment stand.
Da bekommt die Formulierung ›vor Ort geschossen‹ eine ganz neue Bedeutung!
Ein Schauder kroch Willis über den Rücken. Das mochte daran liegen, dass die Schauspieler auf dem Bildschirm in dem Raum, in dem sich Willis gerade aufhielt, allesamt tot waren. Es ist, als würde ich mir ihre Geister ansehen , dachte er und schaltete den Fernseher aus.
Vor der Tür blieb er stehen, weil ihm erneut der Tresor in der Wand auffiel. Ich bin der Scheiße heute Nacht echt nicht mehr gewachsen, dachte er, zog aber trotzdem einen Handschuh aus. Er fragte sich, was er sehen würde. Bestimmt nicht die Kombination – so funktionierte Taktionismus nicht. Aber ... was soll’s ...
Willis berührte den Drehknopf des Safes.
Als er über die Schulter blickte, sah er die attraktive junge Frau namens Vanni in ihrer Arbeitsmontur am Schreibtisch sitzen. Sie betrachtete einen kleinen Kasten, las Zahlen von einem LCD-Bildschirm ab und notierte sie auf einem Zettel. Natürlich ergab es Sinn, dass er sie sah; immerhin war sie die Letzte gewesen, die den Tresor angefasst hatte. Dann verlagerte sich die Vision, als blickte er durch zerkratztes Glas. Plötzlich befanden sie sich in dem verspiegelten Fitnessraum, der ihm am ersten Tag weiter unten im Flur aufgefallen war. Ihre Züge wirkten ekstatisch, als sie nackt in einem Sling penetriert wurde, der ihre Beine mitten in der Luft weit spreizte. Es handelte sich um Mack, der ziemlich wilden Sex mit ihr hatte. Dieses Arschloch, dachte Willis, doch noch bevor ihm etwas anderes durch den Kopf gehen konnte, veränderte sich die Vision schlagartig ein weiteres Mal, und sie befanden sich wieder im Büro ...
Nun fühlte sich der Raum kalt an.
Der kleine Kasten auf dem Schreibtisch war jetzt verschwunden, ebenso der Rest von Vannis Schlosserwerkzeugen. Sie stand nackt vor ihm, mit tief in den Höhlen liegenden Augen und eingefallenem Gesicht.
Sie ist tot, erkannte Willis.
Ihre Haut war aschgrau, die großen gerunzelten Brustwarzen zeichneten sich dunkelviolett ab.
Sie zeigte auf den Safe.
»Sie haben mich getötet, bevor ich die vollständige Kombination herausfinden konnte«, sagte sie. Ihr Atem bildete in der eiskalten Luft kleine Wölkchen.
»Wer?«
»Diese Kreaturen aus dem Tempel ...« Sie ging zum Safe und fuhr träge mit den Fingern darüber. Nach mehreren Tagen des Todes traten ihre Rippen hervor und sie wirkte insgesamt knochig. Ihr Körper begann auszutrocknen. »Aber sie ist einfach ...«
»Die Kombination?«, riet Willis.
»Ihr seid doch angeblich so schlau. Es ist ein einfacher Zahlen-Buchstaben-Code, ein Akrostichon aus der kanonischen Gematrie. Das älteste Verschlüsselungsverfahren der Welt.«
Willis verstand nicht.
Ihr Bauch schien zusehends einzufallen, die Linien ihrer Rippen traten deutlicher hervor, ebenso die Adern an ihrem Hals und an ihren Armen. »Berühr mich«, forderte sie ihn auf. »Oder hast du Angst?«
»Ich habe kein bisschen Angst«, gab Willis zurück und meinte es so. »Und ich kann dich nicht berühren, weil es nichts zu berühren gibt. Dein physischer Körper existiert
Weitere Kostenlose Bücher