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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Lena war ich wohl
hauptsächlich die durchgeknallteste ihrer Freundinnen. Die, die mit dem Kumpel
ihres Vaters schlief.

    Â»Ich habe den Auftrag, einen Vermissten zu suchen«, erklärte
ich großspurig. »Und natürlich lasse ich die Typen nicht laufen, die Ben
zusammengeschlagen haben.«

    Â»Die Asis solltest du lieber der Polizei überlassen«,
hörte ich Staschek aus Lenas Mund zu mir sprechen.

    Â»Das ist doch gefährlich«, erkannte auch Franzi.

    Mein Blick wanderte zu Karo, weil ich von ihr als Regelbrecherin
vom Dienst am ehesten Verständnis erwarten konnte.

    Karo kratzte sich nachdenklich in den auftoupierten Haaren:
»Mann, Lila, die haben sogar Ben fertiggemacht. Solche Typen hauen erst zu und
fragen dann, was du wolltest.«

    Na sicher: Wenn der Superschnüffler mit seinen aufgepumpten
Muckis nichts gegen die Schläger hatte ausrichten können, dann hatte ich
kleines Mädchen natürlich nicht den Hauch einer Chance.

    Angsthühner.

    Â»Immerhin kann ich Karate«, bemerkte ich schnippisch und
ließ meine Freundinnen stehen.

    Â 
    Auch an diesem Abend hatten sich die Straßenkids
am Busbahnhof versammelt. Dicht gedrängt standen sie in der Kälte und ließen
kleine Rauchwölkchen in den schwarzen Nachthimmel steigen, bei denen es sich
wohl eher selten um reinen, kondensierten Atem handelte.

    Hier nahm niemand Notiz von mir. Tatsächlich fiel ich
zwischen all den Ausgerissenen, Aggressiven und Obdachlosen weniger auf als
zwischen meinen besten Freundinnen.

    Lag das wirklich nur an meiner Haarfarbe?

    Oder war das hier die Wirklichkeit und ich eine Asoziale,
eine Heimatlose, eine Durchgeknallte statt eines netten, beliebten Mädchens?

    Erschreckend, wie eindeutig die Antwort auf der Hand lag.
Normalerweise wäre ich schon vor Monaten auf der Straße gelandet. Nur mit Glück
hatte ich mich bei Danner und Molle reinschnorren können, bevor es so weit gekommen
war.

    Ich begriff, wie recht Molle hatte. Jeder konnte unter einer
Brücke landen. Und ich sogar schneller als andere.

    Ich beschleunigte meine Schritte, lief weiter, bevor mich
diese nicht gerade motivierenden Überlegungen lähmen konnten. Ich sah mich nach
bekannten Gesichtern um, lenkte meine Gedanken in die richtige Richtung.

    Das konnte ich, das hatte ich gelernt. Im Verdrängen war
ich Meisterin.

    Bohne, den Kettenträger, konnte ich nicht entdecken. Und
auch der Riese mit dem Ziegenbart ragte nicht aus der Menge.

    Im Schutz des Bahnhofsgebäudes huschte ich zum Imbiss und
entdeckte unter der Laterne am Lieferanteneingang sofort die beiden
übergewichtigen Mädchen. Zwischen ihren Füßen standen ein paar Getränkedosen
auf dem Pflaster. Im Laternenlicht suchten meine Augen sekundenlang nach
glitzernden Blutflecken neben den Bierdosen der Mädchen.

    Danner liegt auf der Seite. Bewegungslos. Zusammengekrümmt.
Sein Blut glänzt nass auf dem Pflaster des Gehwegs.

    Es dauerte einen Augenblick, bis mir bewusst wurde, dass
diese Spuren längst getrocknet sein mussten und ich sie, selbst wenn sie noch
da wären, in der Dunkelheit nicht erkennen würde.

    Ich drängte auch diese Bilder aus meinem Kopf.

    Die Dicke und die Schwangere teilten sich gerade einen
Joint. Ich trat neben Engel, zog eine Schachtel Marlboro aus der Tasche und
steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen, während ich den beiden Mädchen
die Packung hinhielt.

    Â»Hi!«

    Â»Hey!« Engel reichte der Dicken den Joint und griff nach
meinen Kippen.

    Sie akzeptierten, dass ich mich zwischen sie auf die kalte
Ziegelmauer setzte. »Frisch heute.«

    Dicke drückte mir den Joint in die Hand. Ihre tief liegenden,
kleinen Augen musterten mich flink. »Willste doch lieber zurück zu Mami?«

    Ich schüttelte den Kopf.

    Dicke nickte zufrieden.

    Der Joint zitterte leicht in meiner Hand.

    Was würde passieren, wenn ich daran zog? Würde ich wieder
die Kontrolle verlieren? Abstürzen in eine Welt, die ein bisschen bunter, ein
bisschen einfacher und ein bisschen lustiger war als die Wirklichkeit?

    Ich betrachtete die kleine, schlampig zusammengerollte
Tüte, die glimmende Spitze, aus der sich der gefährlich süße Qualm kräuselte.
Als ich den Joint an die Lippen setzte, achtete ich darauf, meine Hand ruhig zu
halten. Ich atmete nicht ein, sondern hauchte warmen Atem in die eiskalte
Nachtluft und hoffte, dass die Mädchen die

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