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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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dem Licht.

    Ein Schuh tauchte in dem scharfen Lichtkranz der Taschenlampe
auf – und bewegte sich!

    Mein Herz machte erneut einen Satz. Als ich die Lampe
hochriss, rechnete ich damit, eine mit klobigen Ringen gespickte Faust auf mich
zurasen zu sehen.

    Die Ratte sprang aus dem zerfressenen Pantoffel und verschwand
in der Dunkelheit. Der leere Schuh kippte zur Seite.

    Mistvieh! Ein Schädlingsbekämpfer sollte das kleine Ungeheuer
killen.

    Eine zerfetzte Wolldecke, alte Zeitungen, leere Bierflaschen,
ein angebrochenes Glas Linseneintopf neben einer offenen Dose Hundefutter
tauchten im Licht meiner Lampe auf.

    Im gleichen Augenblick verstärkte sich der Gestank bis an
die Kotzgrenze. Aber immerhin wusste ich jetzt, was ich gerochen hatte: Hund.
In Kombination mit Hundefutter. Schimmelndem Hundefutter. In der Chappi- Dose steckte ein verkrusteter
Löffel und daneben stand ein Napf, in den das Futter immer wieder gefüllt
wurde, ohne dass je jemand auf die Idee kam, ihn auszuspülen. Lecker.

    Â»Was machste da?«

    Ich fuhr herum.

    Engel wischte sich verfilzte rot-schwarze Strähnen aus
dem Gesicht. Sie hatte sich in die Wolldecke eingerollt, unter der sie
geschlafen hatte, und roch nach kaltem Rauch und Alkohol.

    Interessant, dass ich den Geruch neben Hundefutter und
Linsen überhaupt wahrnahm.

    Â»Ich such wen.«

    Â»Wen?« Engel wickelte sich die Wolldecke fester um ihre
Schultern.

    Â»â€™n Kumpel.«

    Â»Wen?«, wollte Engel hartnäckig wissen.

    Ich musterte das Mädchen scharf: »Fliege.«

    Engels müde Miene verfinsterte sich: »Woher kennst du denn Fliege?«

    Â»Aus ’er Kneipe«, klärte ich sie auf – man bemerke: schon
wieder wahrheitsgetreu! » Bei Molle –
das ist ein Schuppen in der Annastraße, in Stahlhausen.«

    Â»Und was willste von Fliege?«

    Â»Ich weiß, wo sein Köter ist.«

    Engel zog die Augenbrauen hoch: »Mücke?«

    Sieh mal an. Der kleine Läusetransport hatte bemerkenswert
viele Freunde.

    Â»So heißt die Klobürste wohl«, nickte ich.

    Â»Mücke ist nicht bei Fliege?« Plötzlich wirkte Engel verwirrt.
Nachdenklich zupfte sie an ihren Ärmeln.

    Â»Ist das denn seine Bude hier?«, bohrte ich nach.

    Â»Der ist schon seit Tagen nicht aufgetaucht.«

    Also ja. Ich hatte den Unterschlupf unseres Penners gefunden!
Mein Türschild rückte in greifbare Nähe.

    Â»Wohnt ihr mit dem zusammen?«, riss ich Engel aus ihren
Gedanken.

    Â»Wie?«

    Â»Wohnt ihr hier mit Fliege?«

    Â»Wir hatten die Schnauze voll von Bohne«, nickte Engel.
»Da hat uns Fliege mit hierher genommen. Der pennt öfter auf Baustellen, ist
’ne geile Idee. Aber jetzt ist er schon länger weg.«

    Das bestätigte die Schimmelschicht auf dem Hundefutter.
Ein ungutes Gefühl krabbelte unter meinen Kleiderschichten meinen Rücken
hinauf, verursachte eine Gänsehaut und wurde zu einer leisen Ahnung.

    Ich stand sozusagen vor Flieges Hab und Gut, seinen persönlichen
Sachen. Warum war er nicht hierher zurückgekommen?

    Wir hatten minus
sechs Grad, erinnerte ich mich an Molles Worte.

    Hatte Fliege es nicht mehr bis hierher geschafft, nachdem
wir ihn aus der Kneipe geworfen hatten? Lag er auch jetzt noch unentdeckt an
der Stelle, an der er besoffen umgekippt war? Oder war er womöglich Bohne und
seinen Schlägern in die Arme getorkelt?

    Wir hätten ihn an dem Abend ins Krankenhaus schaffen
müssen, meldete sich mein Gewissen. Statt ihn einfach vor die Tür zu setzen und
uns nicht weiter zuständig zu fühlen.

    Trotz der Kälte im ungeheizten Rohbaukeller wurde mir
plötzlich siedend heiß.

    Cool bleiben, versuchte ich meine ungewohnt besorgte
innere Stimme ruhigzustellen. Wahrscheinlich saß Fliege längst in einer
Ausnüchterungszelle. Oder er machte auf Kosten von Herrn Hartz Urlaub auf
Mallorca. Anscheinend war er doch ein ganz pfiffiges Kerlchen.

    Mit dem Fuß schob ich die Wolldecken auseinander. Eine
noch halb volle Bierflasche fiel klirrend um. Der Inhalt war angefroren, ein
Gemisch aus Eis und Bier ergoss sich über eine ausgebreitete Zeitung.

    Mein Blick fiel auf das Foto eines verunglückten Sportwagens.

    Moment, das Bild kannte ich doch?!

    Ich hockte mich neben die Zeitung. Der Alkoholgeruch der
Bierlache verdrängte ein wenig den Gestank nach Linseneintopf.

    Das Blatt war alt, vom zweiten Januar. Genau

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