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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Bierflasche.

    Engel log.

    Die Gedanken schossen wie Pfeile durch meinen Kopf, doch
alle trafen genau den gleichen Punkt: Fliege hatte sich an dem Abend bei Molle
Mut angesoffen, weil er Vampire jagen wollte. Und Engel war für ihn ein Vampir!
War er noch mal hierher zurückgekehrt, um sie zur Rede zu stellen? War die alte
Zeitung nicht der Beweis dafür?

    Wieso verschwieg Engel mir etwas?

    Ich fröstelte.

    Was war passiert an dem Abend? Hatte Fliege seine geliebte
Freiheit bedroht gesehen? Durch Frau – sorry, Mädchen und Kind? War Fliege
handgreiflich geworden? Hatte Engel sich gewehrt? War Fliege vielleicht
gestürzt und hatte sich den Schädel auf einer Betonstufe eingeschlagen?

    Halt, Stopp! Meine Fantasie ging mit mir durch!

    Fliege war im Stadtpark gefunden worden, das war zu Fuß
fast eine halbe Stunde von hier entfernt. Selbst wenn es zwischen ihm und Engel
gekracht haben sollte, war er hinterher immerhin noch in der Lage gewesen, bis
zum Stadtpark zu laufen. Denn geschleppt haben konnte Engel ihn nicht …

    Mein Blick fiel auf Dicke, die an Klippan gelehnt auf dem
Boden hockte und mit abgekauten Fingernägeln die vielen kleinen Wunden an ihrem
linken Unterschenkel blutig kratzte.

    Was war eigentlich mit der Dicken? War sie dabei gewesen
an dem Abend? Wieso schwieg sie die ganze Zeit?

    Ich fragte nicht nach. Dicke hatte meinen schnellen Blick
sofort registriert. Ihre wulstigen Brauen rückten zusammen, darunter funkelten
ihre kleinen Augen drohend. Ein Raubtier, das auf die Gelegenheit zum Angriff lauerte.
Mein Wissen über Fliege hatte sie misstrauisch gemacht.

    Dicke könnte Fliege getragen haben … Wäre allerdings
nicht gerade unauffällig gewesen, wenn die Übergewichtige einen bewusstlosen
Penner durch die halbe Stadt geschleppt hätte.

    Oder Engel war Fliege gefolgt. Oder sie waren zusammen
gegangen, hatten auf dem Weg womöglich weiter gestritten und es hatte erst im
Park noch einmal richtig geknallt?

    Engel hatte inzwischen sechs Flaschen Bier getankt, wenn
ich mich nicht verzählt hatte. Sie war zur Seite aufs Sofa gesunken, den Kopf
hinter Dickes breitem Rücken versteckt, die Füße schon wieder so dicht an
meiner Nase, dass ich automatisch durch den Mund atmete.

    Plötzlich hatte ich den Wunsch, möglichst schnell von
hier zu verschwinden. Das lag nicht so sehr an Engels Füßen, sondern daran,
dass ich nicht länger über Engel und Fliege nachdenken wollte. Ich wollte nicht
wissen, was passiert war.

    Ich wollte in Molles Kneipe, wo es warm war und leckeres
Essen gab. Ich wollte in Danners Armen einschlafen und nicht auf dem eiskalten
Beton. Ich wollte nicht zu den Heimatlosen gehören, wo Fünfzehnjährige
plötzlich zu Mordverdächtigen wurden.

    Â»Kennt ihr eigentlich Edgars Nachnamen?«, versuchte ich,
mein Verhör zu beenden.

    Â»Hm, hat er mal gesagt. Motzki oder so«, lallte Engel betäubt.
»Keine Ahnung.«

    Toll, du Hirn. Du kennst nicht mal den Nachnamen von dem
Typen, der dich geschwängert hat!

    Â»Wieso?«, wollte Dicke wissen. »Wieso interessiert dich
der tote Wichser so?«

    Ihren Nacken hatte sie angespannt. Ihr Hals war zwischen
den Schultern verschwunden, ihr Blick scharf und lauernd.

    Â»Nur so«, winkte ich ab. »Ich muss. Wartet nicht auf
mich.«

    Â 

31.

    Ein scharfer Wind riss mir die Kapuze
vom Kopf, als ich gleich darauf aus der Türöffnung der Bauruine trat. Ich
presste die Kopfbedeckung mit beiden Händen zurück auf meine Haare.

    Â»Ich dachte schon, die hätten dich abgefüllt«, meckerte
Staschek, als ich mich auf die Rückbank seines Kombis fallen ließ.

    Danner stellte das Radio leiser: »Und?«

    Â»Die kennen Flieges Nachnamen nicht«, gestand ich zähneknirschend.
»Motzki oder so ähnlich, glaubt Engel.« Ich wurschtelte meine Hände aus den
Ärmeln.

    Â»So ähnlich?«, schnauzte Staschek erwartungsgemäß. »Her
mit meiner Kohle. Wenn ich ’ne Currywurst Pommes bestelle und ich kriege ein
Fischbrötchen oder so was Ähnliches, bezahle ich den Fraß auch nicht.«

    Â»Das nennt man Stundenlohn«, mischte sich Danner ein.
»Auch wenn das Wort im Beamtenlatein nicht existiert.«

    Â»Zweihundert Euro für eine Stunde Arbeit ohne Ergebnis?«,
schnappte Staschek empört.

    Â»Wenn man dir dein Gehalt nur zahlen würde, wenn du Fälle
löst, müsstest

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