Fliegende Fetzen
weiß, wohin Frauen gehen?«
»Fort mit dir, Beti«, sagte der Patrizier. »Und… hör dich um!«
Nobby griff nach Colons Weinbecher und leerte ihn in einem Zug.
»Ich weiß nicht«, stöhnte er. »Ich bin erst seit zehn Minuten eine Frau,
und schon verabscheue ich euch männliche Mistkerle!«
»Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist, Herr«, sagte Colon leise, als
Nobby fortstapfte. »Normalerweise verhält er sich anders. Außerdem
dachte ich, klatschianische Frauen gehorchen ohne Widerrede.«
»Gehorcht deine Frau ohne Widerrede, Feldwebel?«
»Nun…äh… ein Mann sollte der Herr in seinem Haus sein, so lautet
mein Standpunkt…«
»Warum räumst du dann in der Küche immer das Geschirr ab?« fragte
Lord Vetinari. »Wie ich hörte, erledigst du auch den Abwasch.«
»Nun, ein wenig im Haushalt zu helfen…«
»In der klatschianischen Geschichte gibt es viele Beispiele dafür, daß
die Frauen mit ihren Männern in den Krieg zogen«, sagte der Patrizier.
»Was, auf der gleichen Seite?«
»Prinz Arkvens Frau Tistam ritt mit ihrem Mann in die Schlacht, und
die Legende behauptet, daß sie zehntausend mal tausend Feinde getötet
hat.«
»Das sind ziemlich viele.«
»Was Zahlen angeht, zeichnen sich Legenden häufig durch eine hohe
Inflation aus. Al erdings gibt es historische Hinweise dafür, daß Königin
Sowawondra von Sumtri während ihrer Herrschaft dreißigtausend Per-
sonen hinrichten ließ. Es heißt, sie sei leicht reizbar gewesen.«
»Du solltest meine Frau hören, wenn ich die Teller nicht abräume«,
sagte Feldwebel Colon kummervoll.
»Inzwischen erregen wir keine besondere Aufmerksamkeit mehr«,
meinte der Patrizier. »Wir müssen die Gelegenheit nutzen, um herauszu-
finden, was hier geschieht. Zwar ist ganz offensichtlich eine Invasion
geplant, aber ich glaube, Prinz Cadram hält irgendwo Truppen in Reser-
ve, für den Fal , daß Landstreitkräfte angreifen. Wenn wir in Erfahrung
bringen, wo sie stationiert sind, wissen wir auch, wo sich der Prinz be-
findet.«
»In Ordnung.«
»Glaubst du, daß du mit einer solchen Aufgabe zurechtkommst?«
»Ja, Herr. Ich kenne die Klatschianer. Sei unbesorgt.«
»Hier ist etwas Geld. Spendiere den Leuten etwas zu trinken. Verwickle
sie in Gespräche, um dabei Informationen zu sammeln.«
»Alles klar.«
»Nicht zu viele Getränke. Aber möglichst viele Informationen.«
»Keine Sorge, Herr. Ich bin sehr geschickt, wenn es darum geht, In-
formationen zu sammeln.«
»Dann mach dich an die Arbeit.«
»Herr?«
»Ja?«
»Ich bin ein wenig beunruhigt. Wegen… Beti, meine ich. Ganz al ein
unterwegs… Wer weiß, was ihm… was ihr zustoßen könnte?« Die letz-
ten Worte sprach Colon langsam aus, denn er mußte einräumen: Eigent-
lich gab es nicht viel, was Korporal Nobby zustoßen konnte.
»Wenn es Probleme gibt, hören wir bestimmt davon«, erwiderte der
Patrizier.
»Da hast du sicher recht, Herr.«
Colon schlenderte zu einer Gruppe von Männern, die im Kreis auf
dem Boden saßen, leise miteinander sprachen und dabei aus einer großen
Schüssel in der Mitte aßen.
Er setzte sich. Die rechts und links von ihm sitzenden Männer rückten
bereitwillig zur Seite, um genug Platz zu schaffen.
Und nun… Wie sol te er vorgehen? Ach, kein Problem. Jeder wußte, wie Klatschianer redeten…
»Gruß euch, Brüder der Wüste«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie’s euch
geht, aber ich könnte jetzt eine doppelte Portion Schafsaugen vertragen.
Ich wette, ihr freut euch schon darauf, zu euren Kamelen zurückzukeh-
ren. Ich spucke auf die räudigen Hunde aus Ankh-Morpork. Hatte je-
mand von euch Bakschisch in der letzten Zeit? Nennt mich Al.«
»Entschuldige bitte, bist du die Jongleursfrau?«
Korporal Nobbs war bisher mißmutig durch die Gassen gestapft und
sah nun auf. Vor ihm stand eine freundlich wirkende junge Dame. Allein
die Tatsache, daß ihn eine Frau aus freiem Wil en ansprach, war neu für
Nobby. Daß sie dabei auch noch lächelte, kam einem Wunder gleich.
»Äh… ja. Genau. Das bin ich.« Er schluckte. »Beti.«
»Ich heiße Bana. Möchtest du mitkommen und mit uns sprechen?«
Nobby sah an ihr vorbei.
Mehrere Frauen unterschiedlichen Alters saßen an einem großen
Brunnen. Eine von ihnen winkte scheu.
Er blinzelte. Dies war unbekanntes Territorium. Nobby blickte an sei-
ner Kleidung hinab, die bereits abgetragen wirkte. Seine Sachen wirkten
immer abgetragen, selbst wenn er sie erst seit fünf Minuten
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