Fliegende Fetzen
du versuchen?«
»Würdevoll auszusehen.«
»Und bitte sei diplomatisch.«
»Ja, Schatz.«
»Was wirst du sein?«
»Diplomatisch, Schatz.«
»Du sprichst wieder im Tonfal eines Ehemannes, der unter dem Pan-
toffel steht, Sam.«
»Ja, Schatz.«
»Du weißt, daß das nicht fair ist.«
»Nein, Schatz.« Mumm hob die Hand zu einer kapitulierenden Geste.
»Na schön, na schön. Es ist wegen der Federn. Und wegen der Strumpfhose.« Er schnitt eine Grimasse und versuchte, gewisse Dinge möglichst
unauffäl ig zurechtzurücken, um keinen Buckel in der Leistengegend zu
bekommen. »Ich meine, stell dir nur vor, mich sieht jemand…«
»Du sollst gesehen werden, Sam. Immerhin führst du die Prozession an.
Und ich bin sehr stolz auf dich.«
Sie strich ihm Fusseln von der Schulter.*
Federn am Hut, dachte Mumm bedrückt. Und eine viel zu knapp sit-
zende Strumpfhose. Und ein glänzender Brustharnisch. Ein Brusthar-
nisch sol te nicht glänzen, sondern stumpf und verbeult sein. Und di-
plomatisches Gerede. Woher sol ich wissen, wie man diplomatisch re-
det?
»Und jetzt muß ich gehen und mit Lady Selachii sprechen«, verkündete
Lady Sybil. »Es ist doch alles in Ordnung mit dir, oder? Du gähnst dau-
ernd.«
»Oh, keine Sorge. Ich hab in der letzten Nacht nur wenig geschlafen,
das ist alles.«
»Versprichst du mir, nicht wegzulaufen?«
» Ich ? Ich bin nie …«
»Du bist vor der großen Abendgesel schaft weggerannt, die zu Ehren
des gennuanischen Botschafters gegeben wurde. Al e haben es gesehen.«
»Ich bekam die Nachricht, daß die De Bris-Bande Vortins Diamanten-
lager ausräumen wollte!«
»Es ist nicht nötig, daß du selbst jeden Verbrecher verfolgst, Sam. Da-
für gibt es jetzt andere Leute.«
»Wir haben die Burschen erwischt«, stellte Mumm zufrieden fest.
Er lächelte verträumt, als er an den Einsatz zurückdachte. Nicht nur
wegen der Verfolgungsjagd, die er als sehr erfrischend empfunden hatte,
mit dem samtenen Umhang in einem Baum und dem Hut in irgendeiner
Pfütze. Dazu kam das Wissen: Während er auf diese Weise beschäftigt
war, mußte er keine dummen Appetithäppchen essen und noch dümme-
* Das machen Frauen immer.
re Gespräche führen. Richtige Polizeiarbeit leistete man Mumms Ansicht
nach erst dann, wenn man auf eine Weise aktiv wurde, die gewisse Leute
mit wachsender Besorgnis erfül te.
Als Sybil in der Menge verschwunden war, suchte sich Mumm eine
halbdunkle Ecke und verbarg sich dort. Von dort konnte er fast den
ganzen Großen Saal der Universität überblicken.
Er mochte die Zauberer. Sie verübten keine Verbrechen. Zumindest
nicht die Art von Verbrechen, um die sich Mumm kümmerte. Das Ok-
kulte fiel nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Die Zauberer mochten
das Gefüge von Zeit und Raum durcheinanderbringen, aber sie verur-
sachten keine Schreibarbeit, und diesen Umstand begrüßte Mumm.
Viele von ihnen befanden sich nun im Saal, in al ihrer Pracht. Es gab
nichts Eindrucksvol eres als feierlich gekleidete Zauberer – es sei denn,
jemand fände einen Weg, einen Paradiesvogel aufzupumpen, unter Ver-
wendung von Gas und eines Gummibands. Doch heute bekamen die
Zauberer Konkurrenz: Ihre Gäste waren entweder Adlige oder Gilden-
oberhäupter – oder beides –, und das Convivium weckte den Pfau in
ihnen al en.
Mumms Blick glitt über die Gesichter der Plaudernden, und er fragte
sich, was sie verbrochen haben mochten.*
Auch einige Botschafter waren zugegen. Es fiel dem Kommandeur
nicht schwer, sie zu erkennen, denn sie trugen die traditionel e Kleidung
ihrer Heimat. Allerdings wirkten sie darin fehl am Platz. Seide und Fe-
dern schmückten die Körper, doch in Gedanken trugen die Betreffenden
weiterhin Anzüge.
Sie bildeten kleine Gruppen und unterhielten sich. Ein oder zwei nick-
ten Mumm einen Gruß zu, als sie an ihm vorbeikamen.
Die Welt beobachtet uns, dachte der Kommandeur. Wenn etwas schiefging und es durch die Leshp-Angelegenheit zu einem Krieg kam, so be-
stand die Aufgabe dieser Männer darin, Vereinbarungen mit dem Sieger
zu treffen, wer auch immer das sein mochte. Dann spielte es keine Rolle,
wer mit den Feindseligkeiten begonnen hatte und auf welche Weise ge-
* Die Möglichkeit, daß sie völlig unschuldig waren, kam ihm überhaupt nicht in den Sinn.
kämpft worden war – wichtig war einzig und al ein die Frage, wie es wei-
tergehen sol te. Sie repräsentierten das, was man »internationale Gemein-
schaft«
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