Fliegende Fetzen
zeichne-
ten sich durch diesen ganz besonderen Starrsinn aus. Und wenn man
berücksichtigte, was in Bewegung geraten war, spielten dreißig Wächter
kaum eine Rol e. Eigentlich brauchte Rust ihnen überhaupt keine Beach-
tung zu schenken.
Plötzlich steht ein Krieg bevor, dachte Mumm, und al es kehrt zurück.
Die normale Ordnung wird auf den Kopf gestel t, weil es Regeln gibt.
Und Leute wie Rust finden sich ganz oben auf dem Haufen wieder. Jah-
relang faulenzen die Aristokraten, und auf einmal wird die alte Rüstung
abgestaubt und das Schwert von seinem Platz über dem Kamin genom-
men. Sie glauben, daß der Krieg unvermeidlich ist, und ihnen fäl t nur
ein, daß man ihn entweder gewinnen oder verlieren kann…
Jemand steckt dahinter. Jemand möchte, daß es zu einem Krieg
kommt. Jemand hat dafür bezahlt, Ostie und Schneetreiben umbringen
zu lassen. Jemand wol te den Tod des Prinzen. Das darf ich nicht verges-
sen. Dies ist kein Krieg, sondern ein Verbrechen.
Und dann merkte er, daß er sich fragte, ob es dieselben Leute waren,
die auch den Anschlag auf Goriffs Laden verübt hatten, und ob diese
Leute auchdie Botschaft in Brand gesteckt hatten.
Und dann begriff er, warum er auf diese Weise dachte.
Weil er an die Existenz von Verschwörern glauben wol te. Es war viel
einfacher, sich Männer in irgendeinem verrauchten Zimmer vorzustel en,
von Privilegien und Macht um den Verstand gebrachte Personen, die
vol er Zynismus steckten und beim Brandy Intrigen spannen. An einem
solchen Vorstellungsbild klammerte er sich fest. Sonst mußte er sich der
unangenehmen Tatsache stel en, daß schlimme Dinge passierten, weil
ganz gewöhnliche Leute – Menschen, die den Hund bürsteten und ihren
Kindern Gutenachtgeschichten erzählten – fähig waren, auf die Straße zu
gehen und Schreckliches mit anderen ganz gewöhnlichen Leuten anzu-
stel en. Ja, es war viel einfacher, Verschwörern die Schuld zu geben. Wie
deprimierend, in diesem Zusammenhang »Wir« zu denken. Wenn Sie
dahinterstecken… dann trifft uns überhaupt keine Schuld. Aber wenn
das Wir der Wahrheit entspricht… Was bedeutet das für das Ich? Im-
merhin gehöre ich zu den Wir. Es käme mir nie in den Sinn, mich für
einen von Ihnen zu halten. Niemand glaubt, einer von Ihnen zu sein. Jeder von Uns ist ein Teil des Wir. Für die schlimmen Dinge sind Sie ver-
antwortlich.
Früher hätte Mumm etwa an dieser Stelle eine Flasche geöffnet und
keinen Gedanken an ihren Inhalt verschwendet, solange die Flüssigkeit
bewirkte, daß Lack Blasen warf…
»Ugh?«
»Oh, hal o. Was kann ich für dich… Oh, ja, ich habe um Bücher über
Klatsch gebeten. Das ist alles?«
Der Bibliothekar hob verlegen ein kleines, recht mitgenommenes grü-
nes Buch in die Höhe. Mumm hatte etwas Größeres erwartet, aber er
nahm es trotzdem entgegen. Es zahlte sich aus, einen Blick in jedes Buch
zu werfen, das man vom Bibliothekar bekam. Er schien genau zu wissen,
welche Lektüre zu einem paßte. Mumm vermutete, daß es ein speziel es
berufliches Geschick war, so wie die Fähigkeit eines Leichenbestatters,
Größen genau abzuschätzen.
Auf dem Rücken des Buches bildeten verblichene goldene Buchstaben
die Worte: » VENI VIDI VICI. Ein Soldatenleben von Gen. A. Taktikus«.
Nobby und Feldwebel Colon schoben sich durch die Gasse.
»Ich habe ihn erkannt!« flüsterte Colon. »Das ist Leonard von Quirm,
jawohl! Er verschwand vor fünf Jahren!«
»Er heißt also Leonard und stammt aus Quirm«, erwiderte Nobby. »Na
und?«
»Er ist ein geniales Genie!«
»Er ist irre.«
»Ja, mag sein. Es heißt, vom Genie zum Wahnsinn sei es nur ein klei-
ner Schritt…«
»Diesen Schritt hat er hinter sich gebracht.«
Hinter ihnen erklang erneut Leonards Stimme: »Meine Güte, es hat
keinen Zweck…? Ich muß gestehen, daß du recht hast, bei mittleren und
größeren Entfernungen läßt die Präzision sehr zu wünschen übrig. Wenn
ihr euch dazu entschließen könntet, kurz stehenzubleiben…«
Die beiden Wächter drehten sich um. Leonard hatte bereits damit be-
gonnen, das Rohr zu demontieren.
»Bitte halt dies fest, Korporal… Und du, Feldwebel, wenn du das hier
halten könntest… Man müßte Stabilisierungsflächen hinzufügen, dann
sol te es eigentlich klappen. Ich bin sicher, daß ich irgendwo ein passen-
des Stück Holz habe…« Leonard klopfte auf seine Taschen.
Die Wächter stellten sich einer sonderbaren Erkenntnis: Der Mann,
der sie
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