Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
irgendeine Rotznase, wer weiß, ob der überhaupt schon sechzehn ist!“
Wütend holt Daniel seinen Perso raus und hält ihn dem Türsteher unter die Nase.
„Ach, immerhin, schon siebzehn.“ Der Türsteher tut beeindruckt. „Dann bist du um Mitternacht sowieso wieder draußen.“
„Das ist eine halbe Stunde“, sagt Daniel. „Das ist okay für mich.“
„Ich nehme ihn mit“, sagt der Langhaarige. „Er erinnert mich an jemanden. An einen Freund von früher.“
Sein Gesicht ist jetzt ernst. Er ist ungewöhnlich gut aussehend mit seinen dichten schwarzen Haaren und den blauen Augen und er ist bestimmt schon vierzig. Ein in die Jahre gekommenes, männliches Schneewittchen. Auf seinem T-Shirt ist ein Regenbogen abgebildet. „Smile if you’re gay“ steht darunter. Daniel fragt sich, ob er nicht die allerletzte Chance ergreifen sollte, überstürzt die Flucht anzutreten.
„Komm“, sagt der Langhaarige zu Daniel. „Wie heißt du?“
„Daniel“, sagt Daniel mit dieser seltsamen heiseren Stimmbruch-stimme, die sein ständiger Begleiter zu werden scheint.
„Okay.“ Der Langhaarige lächelt. „Ich bin Paddy. Jetzt los, oder bist du da fest gewachsen?“
Daniel macht einen Schritt und noch einen und dann bewegt er sich auf wackeligen Beinen am Türsteher vorbei, der den Kopf schüttelt und „na, meinetwegen“ murmelt.
Hinter seinem überraschenden Gastgeber geht er einen schmalen Gang entlang und dann eine Treppe hinauf. Dumpfe Bässe wummern durch das Halbdunkel. Es riecht nach Trockeneisnebel. Plötzlich erinnert Daniel sich, warum er nie viel Wert auf Besuche in Diskotheken gelegt hat.
Von der Treppe gelangt er in einen kleinen Vorraum. Zigarettenautomat, Toiletten, Garderobe.
Und zwei Männer, die sich am Garderobentresen küssen.
In Daniels Innerem beginnt ein Feuerrad sich zu drehen.
Es gibt sie. Es gibt sie tatsächlich. Es gibt sie nicht nur im Internet, wo sie Usernamen wie Thilo1, Lavalampe oder Pippin1989 tragen, sie stehen hier und küssen sich, als wäre es das Normalste von der Welt, sie sehen dabei aus, wie Daniel mit Mick aussieht, wenn sie sich küssen, nur dass es dabei kein Publikum gibt.
Er trocknet seine Handflächen am T-Shirt. Zum Glück sind die beiden Männer so miteinander beschäftigt, dass sie nicht bemerken, wie er sie anstarrt. Sie sehen eigentlich ganz normal aus. Niemandem würde in der Straßenbahn oder an der Fußgängerampel auffallen, dass etwas mit ihnen anders ist.
Paddy ist vorangegangen und hält nun auffordernd einen Samtvorhang zur Seite. Von dort kommt die Musik, die schon hier draußen zu laut für Daniels Geschmack ist, begleitet von rhythmischen Lichtblitzen.
Daniel schiebt sich voran. Die Vorstellung, einfach die Treppe hinunter und an dem Türsteher vorbei ins Freie zu stürzen, gewinnt an Attraktivität. Aber dann wäre er draußen, es wäre still, er wäre allein und würde sich selbst viel zu laut denken hören.
Er holt Luft wie vor einem Sprung ins Wasser und taucht unter Paddys Arm hinweg in die laute, dämmerige, glitzernde Diskothek.
Paddy grinst. „Viel Spaß“, sagt er, haut Daniel auf die Schulter und ist gleich darauf im Gewühl verschwunden.
Links schließt sich die Bar an den Durchgang an. Rechts gibt es kleine Sitzgruppen und in der Mitte ist die kleine, runde Tanzfläche.
Die Party ist gut besucht. Auf der Tanzfläche ist nur noch wenig Platz und die Bar ist dicht umlagert.
Daniel hätte jetzt wirklich gerne noch ein Bier. Er durchsucht seine Taschen und was er schon befürchtet hat, tritt ein. Sein Restguthaben beläuft sich auf sechsundzwanzig Cent und einen zerdrückten Kassenzettel. Also durstig bleiben. Er ist ja sowieso zum Gucken hier, nicht zum Trinken.
Die Musik ist laut und ziemlich rockig. Könnte Aerosmith sein oder eine andere dieser Bands, deren Hits sich auf Micks MP3-Player versammelt haben.
Mick, der vielleicht mittlerweile sein Zeug einpackt und den Probenraum abschließt, um dann alleine, ohne Daniel, durch die Stadt zu radeln.
Korrektur. Ohne Daniel, aber vielleicht nicht alleine. Schließlich hat Jo heute Abend nichts Besseres vor und Daniel wird den Gedanken nicht los, dass Mick lieber bei Jo die zweite Geige spielt als bei Daniel die erste.
Er checkt sein Handy, aber niemand hat gesimst oder versucht, ihn zu erreichen.
Jemand schiebt sich an Daniel vorbei und ein Schwall von Zigarettengeruch schwappt zu ihm herüber. Daniel beißt sich auf die Unterlippe. Ist er eigentlich wahnsinnig, sich hier
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