Flirt mit dem Tod
fütterte ihr unersättliches Haustier, bevor sie sich mit den Kopien von Diamonds Tagebüchern an den Küchentisch setzte.
Es war kein schönes Leben, von dem diese Notizbücher zeugten. Während eine strahlende Herbstsonne die mit Reif überzogenen Blätter ihres Zuckerahorns glitzern ließ und in ihr Küchenfenster schien, las sie die traurigen Episoden aus Diamonds Alltag.
Bis zum Nachmittag saß sie über die Tagebücher gebeugt. Als das Telefon klingelte, griff sie danach, ohne auf die Anruferkennung zu achten. Sie war sich sicher, dass es Neuigkeiten aus dem Department waren.
So war es auch. Nur brachte Judy keine guten Nachrichten von einem möglichen Durchbruch in ihrem Fall – sondern die nächste Hiobsbotschaft. »Elena, hast du die Tagebücher mit nach Hause genommen?«, fragte sie atemlos.
»Nein. Warum?«
»Weil sie weg sind.«
»Was soll das heißen?« Elena stand auf. In ihrem Körper bildete sich schon wieder nervöse Energie.
»Jim und ich haben gerade etwas Luft, weil fast niemand anruft. Also haben wir gedacht, wir könnten mal einen Blick in die Bücher werfen und sehen, ob wir etwas finden, was uns weiterbringt. Aber wir konnten sie nicht finden. Also habe ich Steve angerufen. Und Rick. Sie sagen beide, sie hätten die Bücher gestern Abend noch auf Sams Schreibtisch liegen sehen.«
Elena rieb sich über die Stirn. So erholt der heutige Tag auch begonnen hatte, nun brauten sich hinter ihren Schläfen Kopfschmerzen zusammen. »Dort habe ich sie hingelegt«, bestätigte sie.
»Aber dort sind sie nicht. Jim und ich haben alles auf den Kopf gestellt. Steve und Rick können nicht sagen, ob die Bücher heute Morgen bei Schichtwechsel noch da waren. Sie haben beide nicht darauf geachtet. Auf jeden Fall sind sie jetzt weg. Und da sich Bücher eher selten einfach so in Luft auflösen, hat sie jemand mitgehen lassen.« Judys Ton wurde scharf.
»Verdammt.« Elena versuchte, nachzudenken. An die Bücher konnte nur jemand herankommen, der sich im Department aufgehalten hatte. Und dafür kam in erster Linie nur ein Polizist infrage. Sie musste wieder an die Aussage von Ricky Mones und sein plötzliches Ableben denken.
Verdammt! Verdammt! Verdammt!
Sollte der Täter tatsächlich ein Cop sein? Ein Kollege? Eine der Personen, die die Stadt vor allem Übel schützen sollten?
Elena stützte den Ellenbogen auf den Küchentresen und legte die Stirn in die offene Hand. »Eigentlich wollte ich heute meine Großmutter besuchen, aber ich komme besser rüber ins Department.«
»Das musst du nicht. Ich rufe Bergen an und sage ihm, was los ist. Er soll entscheiden, was weiter passieren soll. Falls wir dich doch noch brauchen, rufen wir dich an.«
Elena zögerte. »Okay. Wenn ihr mich wirklich nicht braucht …«
»Nein. Es ist nur eine Schande. Ich weiß nicht, wie so etwas passieren konnte. Wenn die Bücher verschwunden sind, dann stand wahrscheinlich wirklich etwas drin, das unserem Täter gefährlich werden konnte. Verdammter Mist, dass wir das nicht gelesen haben, bevor er sich die Exemplare gekrallt hat.«
Judys Wutausbruch brachte Elena zum Lächeln. »Glücklicherweise haben Josh und ich Kopien von den Büchern gemacht.«
»Kopien?« Judys Ausruf lag mit Sicherheit im dreistelligen Dezibel-Bereich. Dann bekam sie einen Lachanfall. »O Mann, Elena. Du gewieftes Luder. Natürlich hast du Kopien von den Büchern. Ein Hoch auf alle verdammten Kontrollfreaks dieser Welt.«
Elena schmunzelte ob dieses Ausbruchs ihrer Kollegin. Josh und sie hatten die Bücher nicht kopiert, weil sie ein verdammter Kontrollfreak war, sondern weil man so leichter damit arbeiten konnte, ohne Beweismittel zu beschädigen. Sie warf einen Blick auf die Blätter, die auf ihrem Küchentisch lagen und mit Post-it-Zetteln und Textmarker übersät waren. Das würde sie Judy jetzt nicht erklären. Sie hatten Kopien – und das war alles, was zählte. Zumindest, bis der Täter gefunden war, oder wenigstens die Originale wieder auftauchten.
»Hör mal, Judy. Das bedeutet, dass wir unseren Täter wahrscheinlich wirklich irgendwo in den Büchern finden. Ich werde mich gleich weiter dransetzen. Melde dich bei mir, wenn es etwas Neues gibt, ja?«
»Aber sicher. Du hörst von uns.«
Nachdem Elena aufgelegt hatte, setzte sie sich wieder an den Küchentisch und legte den Kopf auf die kühle Holzplatte. Die neuesten Entwicklungen bereiteten ihr einmal mehr Bauchschmerzen. Was, wenn tatsächlich ein Polizist der Täter war?
Sie
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