Flirt mit dem Tod
einem sehr fortgeschrittenen Stadium. Sie lebt in einem Heim.«
Elena wandte sich wieder den Fotos zu. Dominic stahl sich noch einen Kuss von ihr. »Also, was wolltest du mit mir besprechen?«
Sie blieb in seine Arme geschmiegt stehen und schloss die Augen. Dann richtete sie sich wieder auf, damit sie ihm ins Gesicht blicken konnte. »Hast du in den Tagebüchern irgendetwas gefunden?«
Dominic zuckte mit den Schultern. »Bis jetzt noch nicht. Aber ich bin auch noch nicht durch mit meinem Teil. Die Frau hätte eindeutig keinen Schönschreib-Wettbewerb gewonnen.«
»Jemand hat die Bücher geklaut.«
»Was?«
»Du hast richtig gehört. Judy hat mich angerufen. Jemand hat sie aus dem Department von Sams Tisch geklaut.«
Dominic schwieg einen Moment. »Das würde bedeuten, es war jemand, der Zugang zu unserem Büro hat.«
»Ja«, seufzte Elena. »Und das schließt jeden Polizisten in Boston ein – und es schließt die meisten anderen Einwohner von Boston aus.«
»Vielleicht hat sich jemand einen Scherz erlaubt.«
»Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?«
»Nein.« Er sah sie ratlos an. »Natürlich nicht.«
»Es ist gut, dass wir Kopien von den Büchern haben. Denn irgendetwas scheint drinzustehen, was uns zum Täter führen kann, sonst hätte er dieses Risiko nicht auf sich genommen. Bergen lässt unser Büro kriminaltechnisch auseinandernehmen. Bis jetzt haben sie aber noch nichts Brauchbares gefunden.«
»Dann war Mones Tod auf keinen Fall ein Suizid. Er hat die Wahrheit gesagt, als er andeutete, es sei ein Cop. Und dieser Cop hat Mones zum Schweigen gebracht. Genauso wie er die Tagebücher geklaut hat. Also entweder hält er sich für unfehlbar und denkt, er wird nicht erwischt, oder die Schlinge um ihn zieht sich langsam zusammen und er beginnt, nervös und unüberlegt zu handeln. Was im Umkehrschluss bedeutet, er beginnt, Fehler zu machen.«
»Ich tippe auf das zweite. Josh übrigens auch.«
»Gut. Dann treten wir ihm noch ein bisschen auf die Zehen. Vielleicht steckt die Ratte bald den Kopf aus ihrem Loch. Und jetzt liefere ich dich meiner Familie aus.« Entschieden zog er sie an einer Hand hinter sich her ins Wohnzimmer.
Was er nicht ausgesprochen hatte, war die Tatsache, dass sie es nun nicht mehr nur mit einem Täter zu tun hatten, der Dominics Leben ruinierte – es war ein Kollege, der ihn am Boden sehen wollte – und der dafür tötete.
Die Männer der Colemans saßen vor dem Fernseher und sahen sich ein Footballspiel an. Sie grüßten mit freundlichen Worten, ohne ihre Blicke vom Fernseher zu lösen. Elena musste lächeln. Wie die meisten Frauen verstand sie nicht wirklich, was an einem Ballspiel so fesselnd war.
Dominic führte sie in die Küche, wo sie mit lautem Hallo begrüßt wurde und die üblichen Colemanschen Rituale über sich ergehen lassen musste. Als sie sich umdrehte, war Dominic verschwunden. Football, vermutete sie.
»Das Spiel scheint heute besonders spannend zu sein«, bestätigte Dominics Schwägerin Mandy, als hätte sie Elenas Gedanken gelesen. Die Frau saß grinsend auf einem Küchenstuhl und hatte die Füße auf einen zweiten gelegt. Irgendwie sah sie heute noch schwangerer aus als beim letzten Mal – falls das überhaupt möglich war.
Elena überlegte den Bruchteil einer Sekunde, ob sie Dominic böse sein sollte, dass er sie einfach in die Küche geschubst hatte und zum Männerteil übergegangen war. Aber sie war gern hier. Sie genoss es, sich unter diesen fröhlichen, tratschenden, sich gegenseitig neckenden Frauen aufzuhalten – dazuzugehören. Denn so behandelte Dominics Familie sie.
Lara stellte ein Glas Weißwein vor ihr auf den Tisch. »Zum Wohl. Du kannst gleich das Kartoffelschälen übernehmen.« Und schon landete ein kleiner Berg Kartoffeln vor ihrer Nase. Ohne eine Unterbrechung wurde sie in die Küchenaktivitäten und Küchengespräche integriert. Es fühlte sich gut an.
Der Abend gestaltete sich genauso, wie Dominic es prophezeit hatte. Sie wurde mit Fragen gelöchert. Dominic wurde mit Neckereien und mildem Spott überzogen. Sein kleiner Bruder bot ihr zweimal an, mit ihm durchzubrennen. Und die ganze Zeit über hielt Dominic ihre Hand unter dem Tisch. Es war wundervoll.
Bis ein lauter Aufschrei alle aufspringen ließ. Alle, bis auf Mandy. Unter ihrem Sitz hatte sich eine Pfütze gebildet. »Ich habe es gewusst«, schimpfte die hübsche, sehr sehr schwangere Frau. »Das waren die ganze Zeit schon Wehen. Mist, verdammter!« Sie blickte
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