Flirt mit dem Tod
ausgeräumt. Mehr kann ich noch nicht sagen.«
»Wer hat die Leichen gefunden?«, fragte Elena.
»Der junge Angestellte, dessen Frühschicht jeden Morgen um halb sechs beginnt. Er muss durchwischen und Brötchen zum Aufbacken in den Ofen schieben, bevor er aufmacht. Er sagte«, der Officer blickte auf seinen zerfledderten Notizblock, »sein Boss habe den Laden immer bis dreiundzwanzig Uhr geöffnet. Danach räumt er auf und zählt die Tageseinnahmen, bevor er sie in den Tresor einschließt.«
»Ist der Tresor offen?«, wollte Dominic wissen.
»Das kann ich nicht sagen. Wir haben nur überprüft, ob noch jemand im Laden ist.«
»Danke, Officer.« Dominic zog Einweghandschuhe aus seiner Jackentasche und hielt sie Elena hin.
Sie schnaubte entrüstet und zog ihre eigenen Handschuhe aus der Handtasche.
An der Eingangstür war die Spurensuche offensichtlich schon abgeschlossen. Dominic zog sie auf und ließ ihr den Vortritt.
Eine laute, tiefe Stimme, die aus einem der Regalgänge rechts von ihnen kam, stoppte sie auf der Türschwelle. »Draußen bleiben oder Schutzschuhe anziehen.« Der Befehl kam von einem ziemlich beleibten Mann, der am Anfang des zweiten Ganges mit dem Rücken zu ihnen auf dem Boden kniete. Sein weißer Schutzanzug wies eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Michelin-Männchen auf.
»Das ist Wood. Chef der Kriminaltechnik«, erklärte Dominic und nahm die Plastiküberzieher entgegen, die ihm ein Kriminaltechniker reichte.
Elena wusste natürlich, wer Benjamin Wood war, auch wenn sie ihm noch nie persönlich begegnet war. Der Tatortermittler war eine Legende, angeblich der beste und einfallsreichste Kriminaltechniker, den es in Boston jemals gegeben hatte. Umso erstaunter war sie, ihn an einem Tatort zu sehen. Sie hatte ihn sich eher hinter einem Schreibtisch oder in einem Kriminallabor vorgestellt.
»Bist du das, Coleman?«, fragte Wood, ohne sich umzudrehen, während Elena ihre Schutzschuhe entgegennahm und überstreifte. »Wurde Zeit, dass du endlich hier auftauchst.«
»Wie immer voller Freundlichkeit und guter Manieren. Hat sich deine Abteilung in Luft aufgelöst, oder warum musst du dich jetzt schon selbst um einen Tatort kümmern?«
Wood schnaubte. »Hab genauso viel verdammte Bereitschaft wie jeder andere auch. Wenigstens brauche ich für einen Tatort nur halb so lange wie ihr Grünschnäbel.« Damit stand er auf und drehte sich zu ihnen um.
Er war ein Riese, noch ein paar Zentimeter größer als Dominic, und sein Gesicht war eine Kraterlandschaft tiefer Falten. Um den Mund des älteren Mannes lag ein missbilligender Zug, aber um seine Augen hatten sich die Falten zu einem kleinen Lächeln vertieft. Er schien den kleinen Schlagabtausch mit ihrem Partner zu genießen.
Dann wanderte der Blick des Technikers zu ihr und fixierte sie.
»St. James, nehme ich an.«
»Ja, Sir.« Sie streckte die Hand aus und zog sie wieder zurück, als ihr bewusst wurde, dass er gerade Spuren sicherte und ihr garantiert nicht die Hand reichen würde. Sie spürte geradezu, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, und fühlte sich wie einer der Grünschnäbel, von denen er gerade gesprochen hatte.
Sie löste ihren Blick von Wood und folgte Dominic, der bereits durch die Gänge lief, um sich einen Überblick vom Tatort zu verschaffen. Vor der Kasse angekommen, musste sie dem Officer zustimmen. Die beiden Opfer waren tot und befanden sich am selben Ort. Mehr hatten sie nicht gemeinsam.
Die Frau war nackt. Sie lag vor dem Kassentresen auf dem Rücken. Die Male an ihrem Hals ließen auf den ersten Blick auf Erwürgen schließen. Hinter dem Tresen lag ein bekleideter Mann, der offensichtlich eine Schussverletzung in der Brust und eine in der Stirn hatte. Neben ihm kniete Dr. Charlotte Connelly, die Gerichtsmedizinerin.
»Hey Doc, was hast du für mich?«, rief Dominic ihr zu.
Elena stand hinter ihm und folgte seinem Blick zu der Frau, die auf dem Boden hockte. Sie war vielleicht Mitte dreißig und sehr gut aussehend. Bisher hatte sie immer gedacht, attraktive Pathologen gäbe es nur im Fernsehen. Als die Ärztin zu sprechen begann, hörte man ihre Herkunft aus den Südstaaten deutlich heraus. Himmel – eine Südstaatenschönheit in der Gerichtsmedizin. Da war es ja ein Wunder, dass die Detectives nicht pausenlos freiwillig irgendwelchen Obduktionen beiwohnten.
»Hi Dom. Wir haben eine männliche Leiche, weiß, zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt, zwei Schussverletzungen. Welche tödlich war, kann ich noch
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