Flirt mit dem Tod
getan, wodurch er identifiziert werden konnte? Hatte er alles abgewischt, was er angefasst hatte? Hatte er überhaupt etwas angefasst?
Er hatte schon einmal getötet. Damals war es ein Versehen gewesen, er hatte es nicht gewollt. Das hier war anders. Er hatte Tash wehtun, sie erniedrigen und quälen wollen. Sie war eine verdammte Schlampe und verdiente nichts Besseres. Genau wie St. James.
Tash hatte einen großen Freundeskreis, einen guten Job. Was jetzt passieren würde, war ihm klar. Er hatte es schon einmal erlebt. Bei seinem ersten Mord war es haargenau so gewesen. Damals waren Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt worden, um Ninas Mörder zu finden. Es hatte eine Hetzjagd auf das Monster gegeben, das das Lebenslicht des armen kleinen Engels ausgelöscht hatte. Dabei war sie ein Miststück gewesen wie all die anderen auch. Aber das hatte ja außer ihm niemand gesehen.
Niemand würde ihm einen Mord überhaupt zutrauen. Sollte man ihn jemals erwischen, würden seine Nachbarn verwundert erzählen, was für ein netter und freundlicher junger Mann er doch sei. Er musste kichern bei der Vorstellung, seine Nachbarn würden erfahren, was er schon alles getan hatte. Sie würde auf der Stelle der Schlag treffen.
Er musste sich konzentrieren. Es gab eine Leiche, um die er sich zu kümmern hatte. Er musste entscheiden, ob er sie in ihrer Wohnung lassen sollte, bis ihre Mitbewohnerin sie in zwei Wochen finden würde, ob er sie einfach verschwinden lassen, oder ob er sich noch etwas ganz Besonderes für die tote Miss Edwards ausdenken sollte.
Nachdenklich lief er in seinem Wohnzimmer hin und her.
Er lebte gut, das würde er sich nicht von so einer miesen Schlampe versauen lassen. Seine Designerledercouch war neu und edel, sein Multimedia-Center vom Allerfeinsten. Ihm musste eine Idee kommen, und zwar schnell. Im Vorbeigehen fiel sein Blick auf die Datumsanzeige des DVD-Rekorders.
Es war der fünfte Oktober.
Wie ein Blitz durchzuckte es ihn und sein Herz fing an zu rasen. Der fünfte Oktober, ausgerechnet. Das war ein weiterer Wink des Schicksals. Die Gedanken hasteten durch seinen Kopf, bis sie sich wild überschlugen. Eine kühne Idee nahm Gestalt an. Ein sehr gewagter Plan, aber wenn alles klappte, ein Meisterstück.
Mit einem Lachen schenkte er sich ein Glas Whiskey ein und ließ sich auf das kühle Leder der Couch fallen. Genießerisch schlürfte er die bernsteinfarbene Flüssigkeit aus dem geschliffenen Glas. Seine Mutter hatte jedes Mal einen Anfall bekommen, wenn er geschlürft hatte. Jetzt konnte sie sich nicht mehr darüber beklagen. Das brachte ihn schon wieder zum Kichern.
Der fünfte Oktober. Heute war der dreißigste Jahrestag eines Mordes, den gewisse Leute verdrängten, und am liebsten ganz vergessen würden. Der Jahrestag einer Tat, die seit Jahrzehnten totgeschwiegen wurde.
In seinem Kopf nahm die Idee immer klarere Formen an. Es war halb sechs abends. Er hatte noch Zeit, aber er musste herausfinden, wie sein Plan am besten funktionieren würde. Er musste überprüfen, ob noch alles genau so war wie vor dreißig Jahren.
Auch wenn das Vorhaben gewagt war, so war er doch gewitzt genug, es so auszuführen, dass er nicht erwischt wurde und keine Spuren zu ihm zurückverfolgt werden konnten. Nach all diesen Jahren würde endlich sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen. Dominic Coleman, der Mann, den er aus tiefstem Herzen hasste und dessen Untergang er sich seit so langer Zeit immer wieder ausmalte, würde endlich eine Lektion fürs Leben erteilt bekommen.
Er stellte das halb volle Whiskeyglas auf dem Couchtisch ab, schnappte sich seine Lederjacke und die Wohnungsschlüssel. Es gab viel zu tun.
5.
M ühsam öffnete Elena die Augen. Ihr Handy klingelte auf dem Nachttisch. Die Schmerzen in ihrem Brustkorb waren immer noch furchtbar. Heute Nacht hatte sie wieder nur mithilfe einer Vicodin einschlafen können. Benommen griff sie nach ihrem Handy und meldete sich.
»Ich bin’s, Dominic. Hast du vor, heute zu arbeiten?«
»Selbstverständlich.« Sie versuchte, sich aufzurichten, zuckte aber zusammen und ließ sich ins Kissen zurücksinken.
»Gut. Denn wir haben Bereitschaft und es gibt Arbeit. Ich hole dich in zwanzig Minuten ab.«
Elena versuchte, ihre Benommenheit abzuschütteln und professionell zu klingen. »Alles klar. Bis gleich.«
Den Leuchtziffern ihres Weckers nach war es fünf Uhr sechsundvierzig. Keine schöne Zeit, um sich mit Schmerzen unter der warmen Decke
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