Flirt mit dem Tod
Schlaf riss.
Er ließ seinen Blick von oben nach unten und wieder zurück über ihren Körper wandern. »Nettes Outfit«, kommentierte er und schenkte ihr sein unwiderstehliches Grinsen.
»Du bist hier, um mit mir über meinen Schlafanzug zu diskutieren?« Im Gegensatz zu ihr war er wie immer in seine Standarduniform, bestehend aus Lederjacke, Hemd und Jeans gekleidet. Sein Atem bildete kleine weiße Wolken im Licht der Verandabeleuchtung.
»Das würde ich zwar gern, aber es gibt Arbeit für uns. Judy hat einen Tatort, den wir uns ansehen sollten. Er scheint eine Kopie von unserem Supermarktmord zu sein.«
»Oh, ich ziehe mich schnell um.«
»Übertreib es nur nicht«, rief er ihr hinterher, als sie im Haus verschwand. »Heute Nacht musst du nicht aussehen wie die Steuerfahndung.«
Elena tauschte ihren Flanellpyjama und die dicken Wollsocken gegen Jeans, einen Rollkragenpulli und eine Daunenjacke. Auch wenn die Tage im Oktober noch warm und sonnig waren, so stiegen die Temperaturen in den Nächten kaum noch über null Grad.
*
Dominic hatte das Licht in ihrem Wohnzimmer brennen sehen, als er seinen Wagen in ihrer Auffahrt abstellte. Und so, wie sie beim Öffnen der Tür ausgesehen hatte, zerzaust und mit einem Kissenabdruck im Gesicht, war sie wohl vorm Fernseher eingeschlafen. Ihr karierter Pyjama und die Wollsocken sorgten dafür, dass er sie am liebsten an sich gezogen und geküsst hätte.
Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Frauen in karierten Pyjamas und dicken Wollsocken waren eindeutig nicht sein Stil. Im Gegenteil. Er stand auf alles, was dünn, durchsichtig und von Victoria’s Secret war. Er hatte keine Ahnung, woher dieser plötzliche Anfall von Geschmacksverirrung kam, den er gerade erlitten hatte. Aber vielleicht war sie eine von den Frauen, an denen einfach alles sexy aussah. Vor diesen Frauen hatte ihn sein Bruder Leo gewarnt, nachdem er genau so einer verfallen war. Mandy hatte in einem riesigen Maleroverall, den sie sich von ihrem Bruder ausgeliehen hatte, ihr Haus gestrichen, als sie Leo ins Auge fiel. Sein Bruder hatte geschworen, dass es das heißeste Outfit war, in dem er Mandy jemals gesehen hatte. Es war ihm also nichts anderes übrig geblieben. Er hatte sie vom Fleck weg für sich begeistert und so schnell wie möglich geheiratet. Jetzt wohnte er in dem Haus, dessen Fassade er für Mandy fertig gestrichen hatte und war, soweit Dominic das beurteilen konnte, der glücklichste Mann auf diesem Planeten. Aber, rief er sich in Erinnerung, dieses Glück war nicht jedem der Coleman-Jungs vergönnt. Er hatte ganz sicher kein Anrecht auf ein solches Leben.
Elena hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug Jeans, einen Rollkragenpulli und eine dunkelrote Jacke. Sie sah aus wie eine Collegestudentin.
»Kalt heute Nacht, was?« Er wartete, bis sie in seinen Wagen geklettert war, dann nahm er einen Becher Kaffee aus dem Halter in der Mittelkonsole und hielt ihn ihr hin.
*
Elena nahm den Becher und wärmte ihre Hände daran. Nun, da das Adrenalin den Schlaf aus ihren Gliedern vertrieb, ärgerte sie sich darüber, von ihrem Partner so gesehen worden zu sein, wie … na ja, wie sie eben aussah, wenn sie aus dem Schlaf gerissen wurde.
»Du konntest wohl nicht anrufen und Bescheid geben, bevor du vorbeigekommen bist, oder?«, murrte sie.
»Ich habe vergessen, dass du ein Telefon hast.« Dominic schenkte ihr sein Tausend-Watt-Lächeln. Als sie nicht darauf reagierte, hob er kurz, aber beschwichtigend die Hände vom Lenkrad. »Ich war schon in der Gegend, als Judy anrief«, log er unbekümmert. Und schenkte ihr ein weiteres hinreißendes Lächeln.
Elena glaubte ihm kein Wort, entschied sich aber, nicht weiter nachzubohren. »Also.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Was ist passiert?«
»Es geht um den Überfall auf eine Tankstelle.«
Er bog aus ihrer Einfahrt auf die stille, menschenleere Straße ein. Die Familien, die in diesem Viertel wohnten, waren längst zu Bett gegangen. Nur vereinzelt leuchtete noch das blaue Licht eines Fernsehers durch ein Fenster, wo eine Nachteule keinen Schlaf fand.
»Es gibt offensichtlich zwei Tote und eine davon ist Carly Paulson.«
»Die Vermisste von heute Morgen?«
»Sieht ganz so aus. Mehr weiß ich auch nicht. Der Tatort soll unserem sehr ähnlich sein.«
Dominic fuhr zügig in Richtung Boston. Sie lehnte sich in ihren Sitz zurück und nippte an ihrem Kaffee. In angenehmem Schweigen lauschten sie der leisen
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