Flirt mit dem Tod
Musik – diesmal die Red Hot Chili Peppers –, die aus dem Radio klang.
*
Die Tankstelle erinnerte an den letzten Tatort, nur war sie ein bisschen schäbiger. Sie lag in keiner besonders guten Gegend. Und es war keine besonders hübsche Tankstelle. Die vier Tanksäulen waren zerkratzt und rostig, der Boden dreckig. Die Jalousien in den Fenstern des Verkaufsraumes hingen schief hinter schmierigem Glas und das mickrige Warenangebot war keiner Erwähnung wert.
Dominic parkte am Randstein. Judy Paxton trat aus dem Verkaufsraum und kam ihnen entgegen, sobald sie seinen Wagen erkannte. »Hey. Gut, dass ihr da seid. Kommt am besten gleich mit rein. Dann muss ich mich wenigstens nicht allein mit dem alten Brummbären herumärgern.«
»Wood ist hier?«, fragte er erstaunt. »Kommt er neuerdings zu jedem Tatort persönlich?«
»Er ist hier, weil ich ihn angerufen habe. Dieser Tatort ist eurem so ähnlich …« Judy sprach nicht weiter, ihre Gedanken schwebten jedoch laut wie ein Düsenjet über ihnen.
Elena sprach sie aus. »Du denkst an einen Serientäter?«
Judy sog scharf die Luft ein, gestikulierte mit ihren Zeigefingern ein Kreuz und hielt es Elena vor die Nase. »Weiche von mir«, zischte sie.
Dominic musste lachen. Er legte Elena eine Hand auf die Schulter. »Anfängerfehler. Wir verdrängen das Offensichtliche, solange es geht, und versuchen, es nie beim Namen zu nennen. Solange wir nicht ganz sicher sind, bemühen wir uns, das Wort, das nicht genannt werden darf, nicht zu benutzen.«
»Aha.« Elena runzelte die Stirn und drehte sich zu Judy um. »Was ist das hier? So eine Art Harry Potter für Arme? Das Wort, das nicht genannt werden darf?«
»So ungefähr.« Sie boxte Elena kameradschaftlich gegen den Arm.
»Können wir weitermachen? Nachdem du jetzt über den Aberglauben beim Morddezernat informiert bist, Elena, könnten wir uns ja mal um den Tatort kümmern.«
Der Verkaufsraum erinnerte Dominic tatsächlich sofort an den letzten Tatort. Bevor Wood seine Schimpfkanonade ablassen konnte, zogen sie Überschuhe an und betraten den Laden.
Ein junger Mann lag mit dem Oberkörper auf dem Verkaufstresen, das Gesicht in einer Blutlache neben einer alten Registrierkasse. Vor dem Tresen lag eine nackte Frau. Ganz offensichtlich die Frau, die David Paulson am Morgen vermisst gemeldet hatte.
Dominics Eingeweide verknoteten sich, als er die Tote betrachtete. Sie hatte oberflächlich gesehen die gleichen Würgemale am Hals wie Natasha Edwards. Ihre Augen starrten tot an die gelb verfärbte Decke. Und mit ihren Augen war irgendetwas, das ihn schlucken ließ. Der Knoten in seinem Magen wurde noch ein wenig größer. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er wandte sich ab. So hatte er noch nie auf eine Leiche oder einen Tatort reagiert.
Sie verließen den Verkaufsraum und machten sich mit Judys Partner, Jim Stowe, an die ersten Nachbarschaftsbefragungen. Viele bewohnte Häuser gab es in dieser Gegend nicht, aber Klinkenputzen war immer nötig. Je eher man sich daran machte, desto besser.
Während sie über die Straße liefen, blickte sich Dominic noch einmal zur Tankstelle um. Sie lag hell erleuchtet in der Nacht und jagte ihm einen Schauder über den Rücken.
Als Dr. Charlotte Connelly fertig war, standen Elena und Dominic sowie zwei weitere Detectives draußen an einer Zapfsäule und sahen ihr gespannt entgegen. Sie zog die Latexhandschuhe aus und gesellte sich zu ihnen.
»Hi Charlie.«
Mit einem Kopfnicken gab sie einem ihrer Assistenten das übliche Zeichen. Die beiden Opfer konnten in die Gerichtsmedizin transportiert werden, sobald Wood seine Spurensuche beendete. Sie wandte sich Dominic und den anderen zu und hob abwehrend die Hand. »Ich weiß, was ihr zuerst hören wollt. Also gleich vorab: Ja, es gibt viele Parallelen zu den Morden an Pete Johnson und Natasha Edwards, aber es gibt auch Abweichungen. Fangen wir mit dem Todeszeitpunkt an. Ich schätze, dass der Mann seit zirka drei Stunden tot ist und die Frau seit etwa vier bis fünf Stunden.«
Dominic blickte auf seine Armbanduhr. »Der Mann starb also gegen ein Uhr morgens und Carly Paulson zwischen dreiundzwanzig und vierundzwanzig Uhr heute Nacht.«
»Ungefähr. Damit wären wir bei einem Unterschied in der Tatbegehung. Die Todeszeitpunkte liegen wesentlich enger beieinander. Die Frau wurde vermutlich vergewaltigt und durch Erwürgen getötet. Das männliche Opfer erlitt sowohl einen Schuss in den Kopf als auch ins Herz. Was tödlich war,
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