Flirt mit dem Tod
blassen Gesichtern dasselbe. Steve und sein Partner Rick Clancy standen mit ihren Kaffeetassen neben der Tür zum Besprechungszimmer. Die Pinnwand, die Dominic und sie für Pete Johnson und Natasha Edwards aufgestellt hatten, hatte jemand in den Besprechungsraum gebracht. Der Lieutenant stand mit dem zuständigen Staatsanwalt in einer Ecke und unterhielt sich leise.
An einem Schreibtisch, den Stuhl nach hinten gelehnt, die Füße auf dem Tisch, saß ein schlaksiger blonder Mann, die Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden. Er war in Jeans, Stiefel und ein reichlich zerknittertes Hemd gekleidet. Seine grünen Augen, die sie durch den Raum hindurch fixierten, hatten etwas Anziehendes. Dieser Mann war, abgesehen von Dominic, auf dieser Dienststelle der Einzige, der sich weder an die Konventionen noch an die ungeschriebenen Kleidervorschriften hielt. Elena wusste sofort, wen sie vor sich hatte: Detective Josh Winters.
Sie hatte ihn noch nicht kennengelernt, weil er bis jetzt Urlaub gehabt hatte. Ebenso wie sie seinen Partner Frank Jankovski noch nicht kannte, weil der sich beim Basketball die Schulter gebrochen hatte und noch einige Zeit lang ausfallen würde.
Elena hatte Josh Winters nur ein- oder zweimal gesehen, persönlich aber noch nichts mit ihm zu tun gehabt. Er besaß mehr Ähnlichkeit mit einem Surfer als mit einem Cop. Soviel sie wusste, war er vom FBI zum Boston PD gewechselt. Angeblich hatte er beim Bureau einen sehr guten Ruf gehabt. Niemand dort konnte begreifen, wieso er nach Boston gegangen war, anstatt Karriere zu machen. Die Gerüchteküche behauptete, dass ihm beim FBI alle Türen offen gestanden hatten.
Bevor Bergen alle ins Besprechungszimmer scheuchen konnte, trat sie auf Winters zu und stellte sich vor. Als sie sich schließlich einen Platz an dem großen Besprechungstisch suchte, war Dominic noch nicht da.
*
Dominic traf zwei Minuten vor acht im Department ein. Ihm bliebe gerade noch Zeit, sich einen Kaffee zu holen, doch als er aus dem Fahrstuhl trat, fing Steve ihn ab.
»Ich muss kurz mit dir reden, Mann.«
»Schlechter Zeitpunkt, Steve. Bergen dreht durch, wenn jemand zu einer Besprechung zu spät kommt.« Er lief in die Küche.
Steve folgte ihm. »Seit wann interessiert es dich, wenn der Chef durchdreht?«
Dominic reagierte nicht auf die kleine Spitze. Er hatte gestern mal wieder vergessen, seine Tasse zu spülen. Also nahm er eine frische aus dem Schrank und goss sich Kaffee ein.
»Dom. Hör mir zu. Ich würde nichts sagen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Vertrau mir.«
Mit einem genervten Laut drehte sich Dominic zu seinem Freund um. »Was willst du?«
Steve zog ein Foto aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihm.
Carly Paulson. »Was ist damit?«, wollte Dominic wissen.
»Erkennst du sie nicht?«
»Steve, ich weiß, dass das Carly Paulson ist. Ich war heute Morgen am Tatort und habe ihre Leiche gesehen.«
»Ja. Aber erkennst du sie nicht?«
»Steve, verdammt! Du sprichst in Rätseln. Dafür bin ich gerade echt nicht in Stimmung.«
»Kannst du dich wirklich nicht an sie erinnern? Vor drei Jahren oder so haben wir sie und ihre Freundin in einer Bar aufgerissen.«
Dominic starrte einige Sekunden auf das Bild. Er sah wieder die grünen, aufgerissenen Augen der Toten vor sich. Das war es also, was ihn an dem Tatort so irritiert hatte. Er kannte das Opfer, hatte vor ein paar Jahren mit ihm geschlafen. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Lediglich sein Unterbewusstsein hatte beim Anblick der toten Frau etwas gespürt.
Steves Gesicht verzog sich zu dem typisch männlichen Grinsen, das Dominic so gut von ihm kannte. »Bei deiner Quote ist das kein Wunder. Du kannst dich schließlich nicht an jede erinnern. Aber die hier und ihre Freundin waren echt heiß. Du solltest das auf jeden Fall mit Bergen klären, bevor ihr tiefer in die Ermittlungen einsteigt. Er dreht durch, wenn er es per Zufall herausfindet.« Steve schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter. »Und jetzt lass uns reingehen.«
Dominic fuhr sich durch die Haare. »Geh schon mal. Ich komme gleich.«
Nachdem Steve die Küche verlassen hatte, lehnte sich Dominic gegen den Tresen. Es fühlte sich nicht so an, als ob ihn seine Beine in den nächsten Minuten irgendwohin tragen würden. Gegen seinen Willen schob sich Elenas Bild vor sein inneres Auge. Das würde nicht einfach werden. Heute Morgen hatte er sie noch geküsst – und nun würde sie nur das
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