Flirt mit dem Tod
mit sich gebracht hatten, versuchte sie sich zu beruhigen.
Maria ließ Elena los, reichte Dominic ein Bier aus dem Kühlschrank und scheuchte ihn aus der Küche.
Irgendjemand drückte Elena ein Glas Weißwein in die Hand und jemand anderes schob sie auf einen Stuhl. Noch einmal wurden ihr alle in der Küche versammelten Frauen vorgestellt, deren Namen sie sich beim besten Willen nicht alle merken konnte. Sie trank einen Schluck von dem kühlen Wein und fragte höflich, ob sie bei der Vorbereitung des Essens helfen könne.
»Nein«, entgegnete Maria entschieden. »Heute sind Sie unser Gast. Aber Gast sind Sie in diesem Haus nur einmal. Beim nächsten Besuch gehören Sie zur Familie und dann müssen Sie wahrscheinlich Gemüse putzen«, fügte sie hinzu und grinste schelmisch. »Also lehnen Sie sich zurück und genießen Sie Ihren Wein.«
Elena tat genau das. Sie lehnte sich bequem auf dem Stuhl zurück und nippte an ihrem Glas. Die Gerüche und die Wärme in der Küche waren angenehm. Das Geplapper der Frauen summte wie ein Schwarm Bienen in ihren Ohren. Elena musste sich zusammenreißen, um nicht einzudösen. Ihre Gedanken trieben träge vor sich hin. Was hatte Dominics Mutter gemeint? Waren ihre Worte ein Angebot gewesen? Sollte sie wiederkommen? Hatte die ältere Frau ihre Sehnsucht, zu einer Familie dazuzugehören, gespürt?
Wahrscheinlich bildete sie sich all das nur wegen ihres Schlafmangels ein. Sie trank noch einen Schluck Wein, der bereits begann, sie angenehm zu benebeln. Dann lenkte sie ihre Gedanken entschlossen zu dem Fall zurück. Sie hatten das Bindeglied zwischen den Morden nicht gefunden. Es musste eine Verbindung geben, aber ohne diese zu kennen, kamen sie keinen Schritt weiter. Josh Winters hatte ihnen deutlich zu verstehen gegeben, wie hoch die Chancen auf einen baldigen weiteren Doppelmord standen. Es schien ihr logisch. Aber was tun, um diesen Irren aufzuhalten?
*
Maria kostete ihre berühmte Spaghettisoße ein letztes Mal und quittierte das Ergebnis mit einem zufriedenen Nicken. Noch ein paar Minuten ziehen lassen und sie wäre genauso lecker wie immer. Nachdenklich lehnte sie sich an den Küchentresen und nippte an ihrem Wein. Über den Rand des Glases hinweg beobachtete sie die neue Partnerin ihres Sohnes, die mitten unter den lauten, wilden Verwandten in ihrer Küche saß. Eine schüchterne, junge Frau, die versuchte, dies hinter strengen schwarzen Hosenanzügen zu verbergen, anstatt – wie es viel besser zu ihr passen würde – leuchtende, fröhliche Farben zu tragen. Die Anspannung, die von Elena ausging, war fast mit den Händen greifbar. Sie schien mit ihren Gedanken meilenweit weg zu sein und bemerkte die ausgelassene Geschäftigkeit um sich herum überhaupt nicht. Maria war sich sicher, dass sie im Kopf bei der Arbeit war. Die tiefe Falte zwischen den Brauen kannte sie nur allzu gut von ihrem Sohn. Aber über alldem lag eine Einsamkeit, die die junge Frau nicht verbergen konnte – zumindest nicht vor Maria. Sie kannte diese Gefühle. Sie wusste, was es bedeutete, sich unsicher und nicht dazugehörig zu fühlen. Auch sie hatte sich früher hinter einer Maske aus Stolz und Unnahbarkeit versteckt, zu einer Zeit, an die sie nicht einmal mehr denken wollte. Aber diese Phase des Lebens gehörte genauso zu ihr wie das Haus voller Menschen, das sie jetzt regierte. Die Liebe eines Mannes – ihres wundervollen Mannes – hatte sie gerettet. Sie hatte Edward Coleman nicht aus Liebe geheiratet, und doch hatte sich zwischen ihnen eine solch tiefe, mit nichts vergleichbare Liebe und Freundschaft entwickelt. Manchmal hätte sie vor Dankbarkeit darüber weinen können.
Auch Elena schien nicht zu wissen, wohin sie gehörte. Ihr fehlten Liebe und Geborgenheit. So etwas erkannte die Mutter in Maria schnell. Vielleicht war ja ihr Sohn der Richtige. Die Blicke, die er seiner Partnerin zuwarf, wenn sie es nicht bemerkte, sprachen Bände. Wie sie Dominic kannte, merkte er das nicht einmal selbst.
Dominic, ihr Sorgenkind. Eine Mutter liebte ihre Kinder alle gleichermaßen, und doch war er ihr Liebling. Während alle ihre Söhne und Töchter ihren Weg gingen und die Vergangenheit ruhen ließen, hatte Dominic das nie geschafft. Er hatte in seinem Leben schon so viel Unrecht erfahren, aber er machte sich nicht die Mühe, diese Erlebnisse zu verarbeiten, also bestimmten sie noch heute sein gesamtes Leben. Dominic hatte sich dafür entschieden, die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern
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