Flirt mit dem Tod
sich im Griff. So, wie er seit jeher immer alles im Griff hatte. Seit er als kleiner Junge gelernt hatte, dass Versprechen nichts taugten und Hoffnung eine trügerische und schmerzvolle Illusion war. Also atmete er tief durch und überlegte, was sie hier zu suchen hatte.
Sie war mit einem Nicken am Empfang vorbei und die rechte der beiden geschwungenen Treppen hinaufgelaufen. In diesem Moment war seine Neugier bereits größer als die Panik. Vorsichtig folgte er ihr und fand innerhalb weniger Minuten alles über ihre demenzkranke Großmutter heraus. Elinore St. James.
Elena wirkte verstört nach dem Besuch bei der alten Dame. Oder war sie das bereits bei ihrer Ankunft gewesen? Er beobachtete, wie sie in den Park ging und auf den gekiesten Wegen herumschlenderte. Ein Funken Erregung durchfuhr ihn, als er bemerkte, dass sie begann, Blicke über ihre Schulter zu werfen. Sie fühlte sich beobachtet. Von ihm.
Schon erstaunlich, diese Elena St. James. Er wartete, bis sie in ihrem kleinen alten Honda davonfuhr. Er musste sie doch tatsächlich noch ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen. Schließlich lag dieser Seniorenstift nicht in ihrer Preisklasse. Ihr Wagen sagte das übrige. Woher hatte sie das Geld, um die Unterkunft ihrer Großmutter zu bezahlen? Von ihrem Polizistinnengehalt zahlte sie es mit Sicherheit nicht.
Dass St. Mary kein Schnäppchen war, merkte er selbst jeden Monat, wenn die Rechnung ins Haus flatterte. Er hätte seine an Alzheimer erkrankte Mutter nicht hier unterbringen müssen. Tatsächlich hatte er schon vor einigen Jahren mit dem Gedanken gespielt, sich ihrer vollends zu entledigen. Aber dann hatte er sich entschieden, sie weiterexistieren zu lassen.
Er hasste seine Mutter. So, wie sie ihn gehasst hatte. Sie hatte alles und jeden gehasst. Von seinem Vater, der sie geschwängert und sich dann verdrückt hatte. Über ihren Bruder, der sie als – Almosen – in der Wohnung über seiner Garage wohnen ließ und auf den sie immer neidisch und eifersüchtig gewesen war. Über die Menschen, deren Häuser sie putzte. Bis hin zu ihm selbst. Sie hatte ihn immer wissen lassen, dass sie ihn nicht gewollt hatte und nie – niemals – etwas aus ihm werden würde.
Jetzt war er derjenige, der die Macht hatte. Er hatte Macht über viele Menschen. Vor allem aber über seine Mutter. Sie bekam es vielleicht nicht mehr mit, aber es war ein erhebendes Gefühl, über ihr Leben oder ihren Tod zu entscheiden.
Und er entschied darüber, wie sie lebte. Ihr teures Gefängnis in diesem Heim zeigte ihr, wie weit er es gebracht hatte. Er hatte Macht. Er besuchte sie regelmäßig und ließ sie wissen, wie wenig ihr Leben noch wert war. Er konnte sie jederzeit vernichten, wenn er das wollte.
Es war an der Zeit, das zurückzuzahlen, was sie ihm ein Leben lang angetan hatte. Das Leben seiner Mutter hing von seiner Gnade ab. Er war sich sicher, tief in ihrem Inneren verstand sie das. Dieses Wissen war mit nichts zu vergleichen.
Elena St. James wiederum durchschaute er noch nicht ganz. Er würde sie auf jeden Fall genauer im Auge behalten müssen. Sie hatte offensichtlich Geheimnisse, mit denen er vielleicht später noch etwas anfangen konnte.
9.
A ls Elena nach Hause kam, saß Dominic auf ihrer Veranda und kraulte Rabbit, der sich in seinem Schoß zusammengerollt hatte. Er wartete, bis sie ihren Wagen in die Garage gefahren hatte, stand auf und trat ihr entgegen.
»Hallo Dominic.« Sie setzte sich neben ihn. Sanft streichelte sie Rabbits Kopf, den er ihr ergeben entgegenstreckte. Einen Moment lang sagte keiner von ihnen etwas.
»Was willst du hier?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Dominic wies mit einem Grinsen auf ein Sixpack Bier, das hinter ihm auf der Veranda stand. »Vielleicht reden.«
Elena seufzte. »Worüber sollen wir schon reden?«
Er zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Ich glaube, du hast ein paar Geheimnisse. Denen will ich auf den Grund gehen.«
»Aha. Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Aber bitte«, gab sie zurück und breitete einladend die Arme aus. »lüfte alle meine Geheimnisse.«
Dominic nahm ein Bier aus der Packung und reichte es ihr.
Elena stellte es ungeöffnet zur Seite. »Wenn ich schon verhört werden soll, dann will ich wenigstens vorher aus diesen Klamotten raus.« Sie öffnete die Haustür und ging hinein, ohne eine Einladung auszusprechen.
Da sie die Tür offen ließ, setzte Dominic den Kater auf den Boden, sammelte sein Bier ein und folgte ihr. Im
Weitere Kostenlose Bücher