Flirt mit dem Tod
wenigstens noch Kaffee für sie aufsetzen. Vielleicht würde sie ihn dann nicht ganz so hassen.
Als der Kaffee in die Kanne blubberte, überlegte er einen Moment, ob er noch warten und eine Tasse trinken sollte, damit sein Kopf etwas klarer wurde, doch dann entschied er sich dagegen. Wenn Elena wollte, dass er verschwand, dann würde er das auch tun. Er zog seine Lederjacke an und trat vor die Tür. Fast wäre er auf die Zeitung getreten, die auf der Veranda lag. Er hob sie auf, um sie auf den kleinen Tisch im Flur zu legen, als sein Blick auf die Schlagzeile des Boston Globe fiel. Was ihm von der Titelseite entgegenblickte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
10.
E lena dachte darüber nach, ob sie gegen die Tränen ankämpfen sollte, die sich in ihren Augen sammelten. Schätzte sie Dominic wirklich so falsch ein? War er der Mistkerl, für den manche Leute ihn hielten? Letzte Nacht hatte er sich nicht so verhalten. Er war zärtlich gewesen, liebevoll und leidenschaftlich. Hätte ihr nicht trotzdem klar sein müssen, dass die Geschichte nicht von Dauer sein konnte? Sie waren Partner, und Partner gingen nicht miteinander ins Bett. Anstatt sich daran zu halten, musste sie sich obendrein auch noch in ihn verlieben.
Sie hielt den Kopf unter den Wasserstrahl und ließ ihren Tränen freien Lauf. Gemeinsam mit dem heißen Wasser, das über ihren Körper lief, verschwanden sie im Abfluss. Niemand würde jemals erfahren, was für ein heulendes Häufchen Elend Dominic Coleman aus Elena St. James gemacht hatte.
Dass Dominic eine Beziehung – sogar eine Affäre – mit ihr von vornherein ausschloss, war schmerzhaft. Schlimmer war nur seine Reaktion an diesem Morgen gewesen. Er war von ihr abgerückt, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Verdammt. Es gab keinen Grund, dieser Nacht nachzutrauern. Sie musste sich zusammenreißen und im Department alles geben. Je besser sie wäre, desto schneller könnte sie das Dezernat wechseln. Dann würde sie nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten müssen.
Sie wischte sich Tränen und Wasser aus dem Gesicht und drehte die Dusche ab. Mechanisch trocknete sie sich ab, verbarg ihr Haar unter einem Handtuchturban und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Sie würde sich jetzt einen Kaffee kochen und ihre Strategie vervollständigen. Auf keinen Fall sollte irgendjemand merken, wie sehr Dominic sie verletzt hatte.
Als sie die Badezimmertür öffnete, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Ihr Schlafzimmer war leer. Erleichtert seufzte sie auf. Dominic hatte sich an ihre Aufforderung gehalten und war gegangen. Ihr zerwühltes Bett roch wahrscheinlich noch nach ihm, aber damit würde sie sich beschäftigen, wenn sie heute Abend nach Hause kommen würde.
Bereits im Flur roch sie den Kaffee. War er doch noch hier? Auf dem Weg die Treppe hinunter fand sie das T-Shirt, das ihr als Nachthemd gedient hatte. Sie spürte einen Hauch von Röte im Gesicht. Sie hob das Kleidungsstück auf und hängte es über das Treppengeländer.
Das Wohnzimmer war leer. Aber als sie in die Küche trat, saß er da, eine Zeitung vor sich auf dem Küchentisch.
Als er sie bemerkte, blickte er auf. Sein Gesicht war eine graue Maske, sein Blick voller Entsetzen, Schmerz und – Scham? Ja, ganz eindeutig.
Sein Handy klingelte, aber er ging nicht dran. Eine Sekunde später hörte sie ihr eigenes Handy in ihrer Handtasche klingeln.
»Was ist passiert?« Sie setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
Ihre zwischenmenschlichen Probleme waren vergessen.
Sein Handy klingelte wieder, aber er ignorierte es auch diesmal. Wortlos schob er die Zeitung über den Tisch. Was auf der ersten Seite prangte, ließ ihr die Knie weich werden. Sie war froh, bereits zu sitzen.
Ganz oben waren zwei Fotos abgedruckt. Ein relativ neues Bild von Anthony Vionello im orangefarbenen Overall, wahrscheinlich aus seiner Gefängnisakte und daneben Dominics offizielles Dienstfoto des Boston PD. Die Überschrift über den Bildern lautete: Wie der Vater, so der Sohn?
Fassungslos las sie den Bericht, der sich über die gesamte erste Seite erstreckte. Den Teil, in dem berichtet wurde, wie Vionello vor dreißig Jahren mehrere Überfälle begangen und mehrere Menschen getötet hatte, um seine Heroinsucht zu finanzieren, kannte sie schon. Doch dann wurde es interessant. Vionello war verheiratet gewesen und Vater dreier Kinder. Der Mann, den Vionellos Frau später heiratete, adoptierte die Kinder und aus dem mittleren – Dominic Coleman –
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