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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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bitten, am Sonntag mit den anderen zu kommen.
    Mrs. Harvey rief an, um ihre Absicht kundzutun, erhielt aber keine Antwort. Das konnte sehr leicht geschehen, denn Lee war häufig außer Hause, und Miss Connor weigerte sich entschieden, vom Läuten eines Telefons Notiz zu nehmen, besonders bei einem Sammelanschluß. So kam es, daß es im Haus totenstill war, als Mrs. Harvey dort eintraf. Entschlossen drang die Besucherin bis hinter das Haus vor und wurde von einem erstaunlichen Anblick überrascht. Die Dame, die sich immer in Regierungskreisen bewegt hatte, mühte sich damit ab, ein paar widerspenstige Lämmer zu füttern. Sie trug die weite Sackschürze, die Lee normalerweise bevorzugte, ihr Kneifer saß schief, und ihre aristokratische Wange war völlig verschmiert. Nichts vermochte jedoch ihr würdevolles Auftreten zu beeinträchtigen.
    »Mrs. Harvey? Ach ja! Ihr liebenswürdiger Sohn hat mich gerettet und mich hierher gebracht. Wie nett von Ihnen, mich zu besuchen. Wie Sie sehen, bin ich in leichten Schwierigkeiten. Obwohl ich alle Tiere gerne mag, habe ich noch nie mit Lämmern zu tun gehabt, und dieses Kleine kann ich nur schwer zum Trinken bewegen.«
    Mrs. Harvey war außer sich. »Aber man verlangt doch wohl nicht von Ihnen, daß Sie Lämmer füttern?«
    »Man verlangt es ganz bestimmt nicht.« Miss Connors Stimme klang beschwichtigend, und die Besucherin erkannte, daß sie einen Fehler gemacht hatte. »Aber meine Nichte kommt heute spät zurück. Das hat irgend etwas mit einem Bullen zu tun, der in die falsche Koppel geraten ist. Ich glaube, das sind schwierige Wesen. Ich wollte nicht, daß Lee von blökenden Lämmern begrüßt wird, wenn sie müde zurückkommt, und deshalb dachte ich, ich versuche es. Aber Sie sind wahrscheinlich viel erfahrener als ich und lieben Tiere.«
    Mrs. Harvey murmelte irgend etwas Unverbindliches, denn in Wirklichkeit mochte sie die Tierwelt nicht und betrachtete sie nur als bequeme Geldquelle. »Am rechten Ort ja«, gab sie zu, und Miss Connor lächelte.
    »Da ist meine Nichte anderer Ansicht. Ich persönlich habe noch nie so nahen Kontakt zu Tieren gehabt, und Lämmer sind bedauerlich primitiv in ihren persönlichen Gepflogenheiten. Aber ich mag sie gerne, trotz ihres Geruchs. Natürlich gewöhnt man sich im Orient an viele Gerüche, und Ziegengeruch ist noch durchdringender. Tja, ich glaube, wenn ich dieses Lämmchen fest zwischen meine Knie klemme, und Sie die Flasche halten...«
    Mrs. Harvey wollte einwenden, daß sie nichts vom Lämmerfüttern verstehe, daß man auf ihrer Farm die Zeit nicht so vergeude, daß sie ein gutes Kleid anhabe und Lämmer schmutzige Tiere seien. Aber sie sagte nichts; statt dessen nahm sie die Flasche an, so daß Lee, als sie später in den Hof ritt, ihre Tante erblickte, die ein Lämmchen fest im Griff hatte und befriedigt erklärte: »Wenn Sie ihn — oder ist es eine Sie? — überreden könnten, etwas langsamer zu trinken. Ah ja, ich sehe schon, Sie sind richtig naturverbunden.«
    Der Anblick von Mrs. Harveys zusammengeknotetem Rock und ihrem Gesichtsausdruck, in dem sich Hilfsbereitschaft für Miss Connor und Abscheu vor etwas so Gewöhnlichem wie einem Lamm vereinten, erschreckte und belustigte Lee zugleich. »Oh, wie nett von dir«, rief sie und versuchte, nicht zu lachen, »aber das sollst du doch nicht... Und Sie auch nicht, Mrs. Harvey. Tante Hester, wie konntest du nur?«
    Mrs. Harvey zog ihren Rock herunter, und Tante Hester versuchte, einen vielsagenden belustigten Blick mit Lee zu tauschen. Auf jeden Fall hatte die unangenehme Aufgabe das Eis völlig gebrochen, und als sie sich verabschiedete, tat sie es mit dem guten Gefühl, daß ihr Kleid zwar zerknautscht und ihre Strümpfe schmutzig waren, sie aber das Vertrauen der ausgesprochen exzentrischen Dame, die jedoch als Tochter eines früheren Gouverneurs gebildet sein mußte, gewonnen hatte.
    »Und wir erwarten Sie am Sonntag«, rief sie fröhlich, als sie in ihren Wagen stieg.
    Hester Connor blickte ihr nachdenklich nach. »Ich habe schon oft beobachtet, daß die Tierwelt im Menschen das Beste hervorruft«, bemerkte sie scharfsinnig. »Diese kleine Frau wurde erst richtig menschlich, als sie einem hungrigen Lämmchen die Flasche gab.«
    Lee lachte. »Es ist auch etwas schwierig, Eindruck zu machen, wenn man besabbert wird. Aber Tante Hester, du hättest dich mit den kleinen Biestern nicht abmühen sollen.«
    »Unsinn. Ich habe beschlossen, die Lämmer zu übernehmen.
    In der Hausarbeit

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