Flitterwochen
merkte, war Donald beträchtlich älter als seine Schwester, ein gedienter Soldat, der — wie sie später erfahren sollte — vorzeitig eingerückt war und mehrere Jahre Krieg miterlebt hatte. Er war ein stiller, humorvoller Mensch, und man hielt es kaum für möglich, daß er der Sohn seiner Mutter war. Wieder konnte Lee nur vermuten, daß der verstorbene Mr. Harvey ausgesprochen gut ausgesehen und sehr nett gewesen sein mußte. Seine einzige Schattenseite war wohl seine Frau gewesen.
Bevor Donald sich verabschiedete, lud er die ganze Gesellschaft für Sonntag zum Tennis ein.
»Wir haben einen Tennisplatz, aber es wird zu selten gespielt, außer wenn die Sommerfrischler nach Ruru kommen. Kathleen und ich, wir freuen uns über Partner.«
Lee nahm die Einladung gerne an. Klar, Andrew könne sich sehr gut freimachen. Außerdem war es ohnehin Sonntag.
»Ihr Mann hat mir erzählt, daß Sie häufig mit ihm auf die Farm hinausgehen. Da sind Sie sicher sehr beschäftigt, aber für ihn ist es schön.«
Seine Stimme klang etwas wehmütig, und als er gegangen war, sagte Lee zu ihrem Mann: »Donald ist unheimlich nett. Wir müssen eine Frau für ihn finden. Ich glaube, Kitty Macfarlane wäre genau richtig für ihn. Sie kommt von einer schottischen Farm, und es wäre nett für sie, wenn sie sich in der Nähe ihrer Tante niederlassen könnte.«
»Du wirst sie doch nicht verkuppeln wollen. Das geht immer schief und du verdirbst alles. Und außerdem, was soll mit Lawrence werden?«
»Ich sage dir doch schon die ganze Zeit, daß er keine ernsten Absichten hat. Kitty mag so schön wie ein Gemälde sein, aber Lawrence würde nie ein einfaches Schottenmädchen heiraten. Auf unseren Lawrence wartet nichts Geringeres als die Tochter eines Regierungschefs. Zu schade, daß Kitty sich nicht um Grant kümmert. Ich bin sicher, der arme Kerl ist schrecklich in sie verliebt, aber er ist so bescheiden. Außerdem steht in seinem Horoskop...«
»Lee, jetzt sei mal vernünftig! Du mußt dieses Buch einfach verbrennen und damit aufhören, andere bevormunden zu wollen. Grant ist ein lieber Kerl, und es wäre mir völlig egal, wie lange er bleibt, aber ihm ist es unangenehm. Jetzt ist er dabei, dieses Zelt aufzuschlagen.«
Mrs. Harvey hatte die Wahrheit gesagt, als sie behauptete, Mrs. Drill würde gut arbeiten. Den ganzen Tag lang schrubbte und polierte sie, und am Abend waren Böden und Schränke makellos. »Und morgen mache ich mich an die Fenster«, sagte sie vergnügt und ging früh schlafen, um sich auf einen neuen Kampftag vorzubereiten.
Lee hatte sich etwas Sorgen gemacht, wie es ihrer Tante gefallen würde, sich mit der Reinemachefrau an einen Tisch zu setzen; aber sie hätte sich den Kopf nicht zu zerbrechen brauchen. Unter den vielen Dingen, die das Leben Miss Connor gelehrt hatte, war auch die wertvolle Kunst, die Herzen derer zu gewinnen, die für sie arbeiteten, und die sie seltsamerweise als »die unteren Klassen« bezeichnete. Als Mrs. Drill zwei Tage später ging und ein ordentliches und makelloses Haus zurückließ, war sie schon ganz in Miss Connors Bann.
Sie hatte beschlossen, zu Mrs. Harvey weiterzugehen, »für sie zu arbeiten und so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen«. Sie lieferte ihr eine begeisterte Beschreibung der Besucherin: »Eine echte Dame, das sieht man auf den ersten Blick. In diesem Teil der Welt gibt es sowas nicht nochmal.«
Dieses zweifelhafte Kompliment nahm Mrs. Harvey mit einiger Zurückhaltung auf, beschloß aber, den Neuankömmling so bald wie möglich zu besuchen.
»Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß sie diesen unordentlichen Haushalt sehr sympathisch findet«, sagte sie zu ihrer Tochter. »Diese junge Mrs. Marsden ist offensichtlich keine Hausfrau. Wie sollte sie auch, wenn sie den ganzen Tag in Kattunzeug auf der Farm herumreitet und Sommersprossen auf der Nase bekommt?«
»Ich mag sie gerne«, sagte Kathleen ruhig. »Und sie trägt sehr gute Reithosen. Und Sommersprossen wird sie bei ihrer dunklen Haut nicht bekommen. Nein, ich gehe nicht mit. Gar nicht nötig, denn sie kommen am Sonntag zum Tennis.«
»Und bringen die zwei jungen Männer mit, die sich dort eingenistet zu haben scheinen. Ein seltsamer Haushalt und wohl kaum geeignet, eine Dame wie Miss Connor zufriedenzustellen. Wie ich höre hat sie sich immer in Regierungskreisen bewegt. Eigenartig, denn man würde nie glauben, daß dieses Mädchen vornehme Verwandte hat. Ich muß sie einfach besuchen. Ich möchte sie
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