Flitterwochen
schluckte Lee und versuchte, Andrews Blick zu treffen, aber er beachtete sie nicht, sondern sagte nur: »Sie haben uns überrascht, Miss Connor. Entschuldigen Sie, daß dieser Raum ein ziemliches Schlachtfeld ist, aber wir werden das im Nu in Ordnung gebracht haben.«
»Aber doch nicht Miss Connor, mein lieber Junge — Tante Hester. Du gehörst doch zur Familie.«
Andrew nahm dieses Kompliment mit mäßiger Begeisterung auf und machte sich daran, die vielen Koffer aufzuschnallen. Miss Connor fuhr fort: »Noch einmal zu dem jungen Mann, der mich gebracht hat. Ich hoffe, du hattest recht, daß man ihm kein Trinkgeld geben durfte?«
»Aber natürlich. Er ist ein Nachbar mit einer ziemlich großen Farm.«
»Ach du meine Güte, wie eigenartig. Ich finde es sehr schwierig, in den Kolonien die Klassen auf den ersten Blick auseinanderzuhalten, obwohl, wenn ich es mir richtig überlege, dann sprach er ein gutes Englisch, und sein H ist ausgezeichnet. Mit der Zeit werde ich mich schon an die zwanglose Kleidung der jungen Kolonialbewohner gewöhnen. Als ich einen jungen Mann im bunten Hemd ohne Rock und Krawatte sah, habe ich natürlich nicht gedacht, daß er ein Gutsbesitzer ist.«
Lee lachte. »Wie feudal das klingt! Meine Liebe, wir sind doch nur Schaffarmer und kein bißchen vornehm, obwohl es den Harveys gutzugehen scheint. Dieses Durcheinander hier tut mir schrecklich leid. Donald sagt, die Frau käme morgen, um Ordnung zu schaffen.«
»Mein liebes Kind, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin gewohnt, mich durchzuschlagen. Zu der Zeit, als dein lieber Großvater im diplomatischen Dienst war, bin ich oft an den ausgefallensten Orten abgesetzt worden. Lager, wo die Maultiere praktisch den Wohnraum mit einem teilten. Ich habe auch oft mein Bett selbst machen müssen.« Ihrem triumphierenden Ton war zu entnehmen, daß sie allem gewachsen sei. Später ging Lee mit ihrem Mann einmal hinaus, vorsichtshalber, um ihm anzuvertrauen, daß Tante Hester unglaublich sei. »Sie hat keine Ahnung. In Auckland hat sie in einem ziemlich guten Hotel gewohnt, und sie erzählte mir, daß sie danach nichts mehr erschüttern könne. Warte nur mal ab, bis sie das Bad sieht.«
Aber Hester Connor war ein erstaunlicher Mensch. Nichts schien sie zu entmutigen, und sie bemerkte lediglich, daß das Bad viel bequemer sei als das Zeltbad, das sie auf einer Safari hatte benutzen müssen, und daß sie schließlich hergekommen sei, um ihre Nichte zu besuchen, und nicht, um das Klempnerhandwerk in Neuseeland zu erforschen. Sie war freundlich zu Grant und lächelte tolerant, als Lee erklärte, er habe gerade ein Diplom in Kunst erworben, wobei sie bemerkte, es sei äußerst interessant festzustellen, daß die Kunst in diesem jungen Land schon blühe. »Aber ich verstehe nichts davon«, gab sie zu, »da ich mehr mit den Realitäten des Lebens und dem Bemühen, dem Imperium zu dienen, beschäftigt war.« (Lee stellte belustigt fest, daß sie immer von Imperium sprach, an Commonwealth hatte sie sich offensichtlich noch nicht gewöhnt.)
Zu Andrew war sie ausgesprochen herzlich, denn sie schloß ihn in die, wie sie offensichtlich glaubte, äußerst vornehme Familie ein, aber als Lawrence beim Mittagessen eine gelangweilte Miene aufsetzte, rückte sie ihren Kneifer zurecht (den sie noch nach alter Art an einer Goldkette und an ihrem Kleid festgesteckt trug) und wies ihn sofort in seine Schranken.
»Komische alte Vogelscheuche«, sagte er später zu den anderen. »Es sieht aus, als würde sie sich ein Fernglas vorhalten und nicht diesen komischen Kneifer. Wo hat sie den denn ausgegraben?«
Trotz dieses kühnen Kommentars ließ sich der junge Mann von Miss Connors gezielten Fragen über die Dauer seines Aufenthalts so sehr beeindrucken, daß er noch am selben Nachmittag nach Ruru ging, um sich erneut um eine Unterkunft zu bemühen. Er war den ganzen Nachmittag weg, und Andrews gute Laune stieg beträchtlich, obwohl er Lee ganz offen gesagt hatte, er würde Grant nicht gerne abreisen sehen. »Ein guter Junge, und ich verstehe nicht, daß er mit Lawrence rumzieht.«
»Heldenverehrung«, erklärte ihm Lee. »Lawrence verkörpert das, was Grant gerne sein möchte, klug, gutaussehend, reich.« Bei dieser Beschreibung brummte Andrew nur verächtlich. Alle Hoffnungen wurden jedoch zerstört, als Lawrence zurückkehrte, um zu berichten, daß es ihm nicht gelungen war, eine Unterkunft zu finden. Alles war ausgebucht, und die kleinste Hütte vermietet. So
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