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Flitterwochen

Flitterwochen

Titel: Flitterwochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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rief Lee und hielt mit einem Ruck. »Eine gelbe Katze? Nein, ich glaube, es ist ein Hund. Tante Hester, wo hast du ihn nur her?«
    Jetzt sah Miss Connor zum ersten Mal etwas stolz aus. Sie antwortete nicht sofort, sondern setzte das kleine Tierchen ab. Es kauerte zu ihren Füßen, und Lee wurde von tiefem Mitleid erfaßt. Noch nie hatte sie etwas so Kleines, etwas so Häßliches und etwas so Klägliches gesehen. »Armes Kerlchen«, sagte sie, als sie sich bückte, um es sanft zu streicheln. »Wie schrecklich hungrig du armes Ding bist — und zu welcher Rasse du wohl gehörst?«
    Andrew lachte. »Bring ihn nicht in Verlegenheit. Ich würde sagen, mindestens zu einem Dutzend. Tante Hester fand ihn heute morgen halb verhungert im Busch und brachte ihn zurück.«
    Eine leichte Röte stieg Miss Connor ins Gesicht. »Ich hoffe, ich habe nicht zu eigenwillig gehandelt; ich nehme alle Schuld auf mich. Ich wanderte durch den Busch, als ich ein ganz schwaches Wimmern hörte. Ich wußte, daß es irgendein Tier in Not war, und da ging ich von der Straße ab, um zu suchen.«
    »Oh, Tante Hester, du hättest dich verirren können. Der Busch ist dort schrecklich dicht.«
    »Meine liebe Lee, ich habe dir schon gesagt, daß ich mich nicht zu verirren pflege, obwohl mir mein Nomadenleben in Wüsten und Wäldern genug Gelegenheit dazu gegeben hat. — Na ja, ich ging dem Geräusch nach und fand einen kleinen Hund, der sich hoffnungslos in seltsamen, bösartigen Ranken verfangen hatte.«
    »Wir nennen sie Richter«, erklärte Andrew.
    »Eine Bezeichnung, der es nicht an makabrem Humor fehlt«, stimmte Hester zu, »obwohl er den Angehörigen eines ehrenwerten Berufsstandes wohl kaum gerecht wird. Das arme Wesen war schon so lange gefangen, daß es in seiner Verzweiflung die weiche Erde ganz zerwühlt, sich aber nur noch mehr in die Ranken verstrickte. Es schien fast am Ende zu sein, aber zum Glück hat mich mein lieber Vater immer angehalten, auf Spaziergängen ein kleines Taschenmesser mitzunehmen, und damit konnte ich dann den armen kleinen Hund befreien. Ich muß gestehen, daß ich es nicht übers Herz brachte, ihn im Stich zu lassen, als er mir in offensichtlicher Dankbarkeit die Hand leckte. So trug ich ihn nach Hause und erzählte deinem lieben Mann die ganze Geschichte. Wie du weißt«, schloß sie zu ihrer Verteidigung, »bin ich einfach ein Tiernarr.«
    »Natürlich konntest du ihn nicht sterben lassen«, rief Lee und nahm Tante Hester zu deren sichtlicher Freude schnell in die Arme. »Armes Ding, ich habe nie gedacht, daß es so etwas Dünnes gibt. Ein kleiner Hund mehr macht doch gar nichts weiter aus, wo du sowieso Schafe schlachten mußt, um deine eigenen zu füttern, nicht wahr, Andrew?«
    »Völlig richtig«, erklärte Andrew heldenhaft und gab den sehnsüchtigen Wunsch auf, dem Elend des Hündchens mit einer Kugel ein Ende zu machen. »Du hättest nicht anders handeln können. Wir können ihn leicht füttern. Aber seid nur vorsichtig am Anfang, er hat eine ganze Weile gefastet.«
    Hester strahlte ihn an. »Du bist so menschlich, Andrew. Ich freue mich, das festzustellen — und, darf ich das zugeben? — ein bißchen erstaunt. Ich habe gehört, daß Farmer manchmal ziemlich abgebrüht seien, wenn es um leidende Tiere geht. Ich bin dir sehr dankbar, denn ich muß zugeben, der Gedanke an dieses kleine Wesen hätte mich verfolgt, selbst wenn jemand so umsichtig gewesen wäre, seinem Elend ein Ende zu machen. Aber ein Heim und Liebe sind soviel besser als eine barmherzige Kugel. Gefüttert habe ich ihn schon mit etwas Milch. Ich dachte, um langsam anzufangen. Es ist mir nicht völlig fremd, Verhungerten zu helfen. Zu Lebzeiten deines lieben Großvaters hatten wir unter den Eingeborenen viel gegen Unterernährung zu kämpfen. Später vielleicht etwas mehr Milch, ein Stückchen Fleisch — aber nach und nach.«
    Als sie gegangen war, den armen kleinen Hund vorsichtig im Arm haltend, sagte Lee zu Andrew: »Du bist wirklich ein Schatz. Ich weiß, wie sehr Farmer streunende Hunde hassen, weil es immer Ärger gibt, aber ein kleines Ding von dieser Größe kann nicht viel Schaden anrichten. Bist du sehr ungehalten deswegen?«
    »Nicht wegen Tante Hester. Ich mag sie gerne. Findest du es nicht auch außergewöhnlich, wie sie sich hier zurechtgefunden hat? Schließlich ist das hier doch ganz anders als ihr gewohntes Leben.«
    »Als ihr Leben, seitdem Großvater starb, aber ich glaube, sie genießt das Außergewöhnliche, weil sie an

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