Flitterwochen
habe. Der Arzt war zu Hause und fuhr sofort los. »Kannst du noch, Tante Hester?«
»Aber sicher. Ah, hier kommt der Weinbrand.«
Grant, der offensichtlich froh war, von einigem Nutzen zu sein, goß den Weinbrand ein und hielt ihn dem Professor an den Mund. Daraufhin setzte Meredith sich auf und sagte entschuldigend: »Ich scheine mich wirklich dumm anzustellen, aber ein Glas kann ich wenigstens noch halten. Lachhaft, daß man sich bei einem kleinen Schnitt so schwach fühlt.«
»Das ist völlig natürlich«, erklärte Hester ihm ruhig. »Die Größe des Schnitts spielt keine Rolle, sondern die Tatsache, daß Sie schon eine ganze Menge Blut verloren haben. Lassen Sie Mr. Lawton das Glas halten.«
Merediths Gesichtsfarbe verbesserte sich, sobald er den Weinbrand getrunken hatte; besorgt erkundigte er sich nun bei Miss Connor: »Sie hocken so unbequem auf dem Boden.«
»Sorgen Sie sich nicht um mich. Ich war schon einmal in einer solchen Situation. Als wir einmal auf einer Safari waren, schnitt sich ein Eingeborener ziemlich schlimm in den Oberarm und... Aber das ist wohl nicht der rechte Moment für eine lange Geschichte.«
In diesem Augenblick traf unerwartet Hilfe ein. Lawrence, dessen Nachlässigkeit an dem ganzen Unglück schuld war, kam herübergeschlendert, um von Lee und Grant mit Vorwürfen überhäuft zu werden. Da streifte er endlich einmal seine Arroganz ab, war ehrlich besorgt und schloß seine Entschuldigung mit der Anweisung: »Lassen Sie mich an die Schulter. Ich mußte einmal eine Schlagader abklemmen, als ich mich ins Bein geschnitten hatte. Ich kenne den Dreh, und meine Hände sind größer als die Ihren. Ruhen Sie sich aus, Miss Connor«, mit diesen Worten übernahm er erstaunlicherweise das Kommando und entlastete Hester.
»Ja ja«, bemerkte Lee ziemlich ungnädig, »wer hätte das erwartet? Ich dachte, du würdest in Ohnmacht fallen, wenn du Blut siehst, und jetzt bist du völlig ruhig und gelassen, und Grant und mir tritt der kalte Schweiß auf die Stirn.«
Grant entschuldigte sich: »Ich weiß, ich habe mich ziemlich dumm angestellt. Ich schäme mich vor mir selbst, aber, ehrlich gesagt, habe ich den Anblick von Blut nie ertragen können. Ich fürchte, in einem Krieg würde ich nicht viel nützen.«
Hester sagte auf munternd: »Wahrscheinlich sind Sie besser als die meisten, denn Sie geben Ihre Schwäche zu. Ob wir Professor Meredith nicht bequemer legen können?«
Sie holten alle Kissen aus dem Zelt und schoben sie ihm unter, wollten ihn aber nicht transportieren, bevor der Arzt kam. Das war zum Glück erstaunlich schnell der Fall, denn Dr. West hatte sich beeilt. Er war ein ernsthafter Mann mittleren Alters, der mit dem, was unternommen worden war, einverstanden war.
»Keine große Wunde, aber an einer unglücklichen Stelle. Gut, daß Sie wußten, wo Sie die Schlagader finden«,, erklärte er, verabreichte dann schnell eine örtliche Betäubung, nähte den Schnitt, spritzte Penicillin und gab dann die Anweisung, den Patienten jetzt ins Haus zu bringen.
»Ich fürchte, ich muß einen von euch jungen Leuten bemühen, mich in ein Krankenhaus zu fahren«, sagte der Professor, aber der Arzt schüttelte den Kopf.
»Ein Krankenhaus kommt für Sie augenblicklich nicht in Frage. In Ruru gibt es nur eine Entbindungsanstalt, und Sie können mit dieser Wunde nicht vierzig Kilometer über eine schlechte Straße fahren. Sie werden eine Weile bleiben müssen.«
Meredith sah niedergeschlagen aus. »Aber das ist unmöglich. Mrs. Marsden hat ein volles Haus und viel zu tun. Wäre es möglich, einen Krankenwagen zu beschaffen?«
Jetzt sprachen alle auf einmal, aber Lee hatte am meisten Ausdauer. Sie dächten nicht im Traum daran, ihn gehen zu lassen. Er würde ihnen überhaupt nicht zur Last fallen. Es sei ja keine Spezialpflege erforderlich und selbst wenn, so wäre Tante Hester da und, erstaunlicherweise, gebe es auch noch Lawrence.
Als der Verletzte dann aufzustehen versuchte, wurde vollends offensichtlich, daß er an Ort und Stelle bleiben mußte. Während sie ihm auf die Beine halfen, gab er einen kleinen Schmerzenslaut von sich und sagte: »Ich war noch ungeschickter, als ich dachte. Anscheinend ist mein Knöchel ebenfalls angeschlagen.«
Es stellte sich heraus, daß der Knöchel verstaucht war, so daß, wie Lee triumphierend erklärte, von einer Abreise nun keine Rede mehr sein konnte. Sie trugen ihn zum Haus, und als der Arzt sich schließlich verabschiedete, meinte er zuversichtlich,
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