Flora Segundas magische Missgeschicke
gelassen habe. Dass ich dich nicht retten konnte. Dass ich dich verlassen habe – dass ich dich allein in die Dunkelheit gehen ließ.«
»Ich bin nirgendwohin gegangen, Poppy, ich bin immer noch da.« Ich streckte meine Hand aus und berührte zögernd und sanft seine Schulter, die sich dünn und knochig unter meinen Fingern anfühlte. »Du hast mich nicht im Stich gelassen.«
Jetzt endlich hob Poppy die Augen und schaute mich an, und mit diesem Schauen schärfte sich sein Blick wie ein Messer, mit einer plötzlichen Mischung aus Begeisterung und Verwirrung und einem merkwürdigen Anflug von Hunger.
»Flora? Bist du das?«, fragte er verwundert. »Du bist wirklich? Kein Geist?«
»Ich bin kein Geist«, sagte ich mit fester Stimme. »Ich bin wirklich.«
Poppy rappelte sich auf die Füße und griff nach mir, umarmte mich. Ich erwiderte seine Umarmung und spürte die kantigen Rippen unter seinem Pullover, roch die säuerliche Ausdünstung seines Schweißes. Unter diesem Geruch lag ein anderer, einer, den ich in meiner Umarmung mit dem anderen Poppy schon wahrgenommen hatte: Pfeifentabak und Heu.
Er sprach und die Worte sprudelten aus ihm heraus: »Flora, ich habe es versucht, ich habe Valefor gesagt, er soll dich in Ruhe lassen. Ich habe ihn gefüttert, um ihn von dir wegzulocken, und ich nahm Buck den Fetisch weg, um ihn dir zu geben, aber dann vergaß ich, wohin ich ihn gelegt hatte, und ich konnte ihn nicht mehr finden. Dann dachte ich, du wärst die andere Flora, und als du weg warst, glaubte ich, du wärst in Sicherheit, doch dann merkte ich, dass du nicht sie warst, dass du du selbst warst, und ich dachte, dass dir ein Bad in der Strömung vielleicht helfen könnte, aber es war vergebens. Es tut mir leid, Flora. Es tut mir so leid.«
Plötzlich ergab alles einen Sinn, auf eine verwirrende, für Poppy typische Art. Er hatte sich an unsere Begegnung in Bilskinir erinnert und versucht zu helfen, aber so wirr und kompliziert, dass ich seine Hilfe nicht als solche erkannt hatte. Poppys Warnung vor Valefor. Valefors Fetisch in Poppys Kiste, verschlossen mit Poppys Siegel. Poppy, der mich in den Teich und in die Strömung gestoßen hatte, in der Hoffnung, mich retten zu können … Obwohl er mir nicht hatte helfen können, hatte er mir damit genug Kraft gegeben, um ein bisschen länger durchzuhalten. Poppy, verwirrt und wahnsinnig, hatte es versucht. Er hatte sein Bestes gegeben.
Meine Kehle schnürte sich zu und würgte die Worte hinunter, entließ nur entsetzlich keuchende Töne. Jedes Schluchzen erschütterte mich bis in die Tiefe, renkte mir die Schultern aus, verdrehte mir die Rippen, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Ich schloss meine brennenden Augen und verschmierte
mir die sorgfältig aufgelegte Schminke. Poppys Arme drückten mich gegen den rauen Stoff seines Pullovers, hielten mich so fest, dass ich nicht mehr zittern konnte, und endlich war es vorbei.
»Ich möchte … «, sagte ich in seine Brust hinein, als ich wieder sprechen konnte. »Poppy, würdest du zu meiner Catorcena kommen?«
Er gab keine Antwort, lockerte nur seine Umarmung und lies mich dann los. Er setzte sich auf die Bettkante und senkte wieder den Kopf. Kleine Linien aus Schwarz rannen über seine Wangen.
»Ich kann nicht, Flora.«
»Bitte, Poppy. Bitte.«
»Ich kann nicht, Flora. Ich kann das Licht nicht ertragen. Ich kann nicht in ihre Gesichter sehen. Ich kann nicht.«
Ich sagte mit einer Bestimmtheit in der Stimme, die sich nicht mit meinen müden und zitternden Knien vertrug: »Du kannst nicht ewig Trübsal blasen, Poppy. Wage, gewinne oder verschwinde.«
»Es tut mir leid, Flora.«
»Ich will deine Entschuldigungen nicht, Poppy.«
»Aber ich habe sonst nichts. Sie haben mir alles genommen. Es ist nichts übrig«, sagte er traurig.
»Das stimmt nicht«, sagte ich hitzig. »Du hast Mama und Idden und mich. Selbst Flynn und die anderen Hunde. Sogar Valefor. Sind wir denn gar nichts? Bedeuten wir nichts? Wir müssen etwas bedeuten, wir müssen dir wichtig sein, denn ansonsten hättest du nicht versucht, mich zu retten, Poppy. Erinnerst du dich nicht mehr, als wir uns in Bilskinir begegneten und wir uns verabschiedeten? Du sagtest, dass
du keine Angst vor dem Tod hättest, aber dass es dir leidtäte, dass du nicht da sein und mich aufwachsen sehen könntest. Poppy! Du bist nicht tot! Weißt du noch, dass du sagtest, die Fyrdraacas seien stark? Fyrdraacas geben nicht auf! Du bist Reverdy Anacreon Fyrdraaca. Poppy,
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