Flora Segundas magische Missgeschicke
nüchtern. Mein Herz sank und ich versuchte, ihn abzulenken. »Wann hast du zum letzten Mal deine Kleider gewechselt, Poppy?«
Die Kuchengabel blieb in der Luft hängen. »Was stimmt denn mit denen nicht, die ich anhabe?«
»Nun, sie sind ziemlich schmutzig, Poppy. Vielleicht würdest du dich besser fühlen, wenn du saubere Sachen anziehen würdest. Ich hole dir welche, wenn du willst.«
»Wo ist Flora?«, wiederholte er.
»Möchtest du Eis zu deinem Kuchen haben, Poppy? «, fragte ich. »Ich habe drei Sorten: Schokolade, Pfirsich …«
»Wo ist Flora?« Seine Stimme wurde immer lauter.
»Sie ist mit Mama auf Inspektionsreise«, log ich. Ich ging zum Gefrierschrank, um Pfirsicheis zu holen. Er nahm mir den Karton aus der Hand, stellte ihn aber kurz darauf weg und saß still da. Er ließ die Schultern hängen und starrte ins Leere.
»Was ist los, Poppy?«
»Ich habe sie verloren, Flora«, sagte er traurig. Er
erkannte mich schließlich doch. »Die Brummer haben sie mir weggenommen.«
»Ich weiß, Poppy, aber es war nicht deine Schuld.« Mit den Brummern meinte er die Huitzil. Huitzil bedeutet Hummel, und Brummer ist der Schimpfname, mit dem wir hier in Califa unsere Fremdherrscher belegen.
»Deine Mutter wird mir niemals vergeben.«
»Doch, Poppy, das wird sie. Aber du musst dir auch selbst vergeben.« Manchmal ist es besser zu lügen. Meine Mutter würde Poppy tatsächlich nie vergeben, dass er die erste Flora verloren hatte, aber insgeheim machte ich auch sie für den Verlust verantwortlich. Der Krieg ist kein Spielplatz, und doch hatte meine Mutter Flora, die noch fast ein Kind gewesen war, zu Poppy geschickt. Und als Poppy gefangen genommen wurde, hatte man auch sie geschnappt. Beide wurden als Kriegsgefangene in die Stadt Anahuatl gebracht. Aber während Poppy durch ein Lösegeld freikam, hat man von der ersten Flora nie wieder etwas gehört.
»Warum hat mich Buck nicht dort gelassen? Ich verdiene die Dunkelheit. Ich habe meinen Eid gebrochen, Flora – ich habe mein Wort nicht gehalten. Ich schwor, dass ich sie nie verlassen würde, und ich tat es doch. Ich habe sie zurückgelassen.«
Darauf wusste ich nichts zu sagen. Ich schluckte schwer und blinzelte. Der Schokoladenkuchen ballte sich in meiner Kehle zu einer festen Kugel zusammen.
»Möchtest du noch etwas Eis, Poppy?«, fragte ich lahm. Mama hätte die richtigen Worte gewusst, aber Mama war nicht da. Wenigstens, dachte ich traurig,
wirft er nicht mit Gegenständen um sich. Trotzdem behielt ich die Tür im Auge. Ein guter Waldläufer weiß, wann er den Rückzug antreten muss.
Er stemmte die Ellbogen auf den Tisch. Dabei schoben sich die Ärmel seiner abgewetzten Strickjacke nach unten und entblößten knallrote Messerschnitte, die die gesamte Innenseite seiner Arme bedeckten. Einer war so frisch, dass noch Blut austrat. »Glaubst du, sie wird mir jemals vergeben?«
Ich wusste nicht genau, wer mit »sie« gemeint war, aber ich sagte: »Ich bin sicher, dass sie es verstehen würde.«
»Wie kann sie in dieser Dunkelheit etwas verstehen? Ich habe sie später nie mehr gesehen, man hat uns getrennt. Aber ich hörte die Schreie, vielleicht waren es meine eigenen, es war so weit weg, dass ich die Worte nicht verstehen konnte, sie haben mir Moxleys Herz in einem Suppenteller gebracht, mit Weizengrütze und Karotten, und ich habe Karotten doch schon immer verabscheut. Mir wird schlecht davon!«
Er schleuderte den Teller gegen die Wand und der Kuchen zerplatzte in Fetzen aus Schokoladen- und Haselnusskrümeln. Danach brüllte und schrie er und verursachte einen solchen Aufruhr, dass die Hunde anfingen zu kläffen und zu toben. Dann rannte er aus der Küche. Obwohl ich ihn nicht dazu bringen konnte, wieder über die Treppe des Übermuts in seinen Verschlag zurückzukehren, bugsierte ich ihn schließlich doch nach oben, in die Kammer der Entschlossenheit, unsere einzige funktionierende Toilette. Dann verschloss ich die Tür.
Ich strich mir mein zerzaustes Haar zurück und ließ mich auf das Sofa in der Diele fallen, um zu Atem zu kommen. Beim Zweikampf mit Poppy hatte ich mir den Ellbogen an einem Schrank mit uralten Familienerbstücken gestoßen, und jetzt pochte der Knochen im Takt meines rasenden Herzschlags. Einen Moment lang dachte ich, ich müsste mich übergeben. Waldläufer weinen nicht, aber meine Nase lief auf eine höchst unprofessionelle Art und Weise.
»Es gab hier mal einen Geist, der genauso laut und schrill war, aber du kannst Gift
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