Flossen weg
zu klingen, was ihr jedoch misslang. Das wiederum amüsierte den Walbengel an der Konsole und die beiden Piloten maßlos.
»Ihr könnt mich mal«, sagte Nuñez. »Es ist ja nun nicht gerade so, als wärt ihr Jungs Raketentechniker, oder?«
»Und ihr Jungs wart die Nightwalker, von denen Tako Man gesprochen hat«, sagte Nate zu den Piloten. »Ihr habt Clays Boot versenkt.«
Die Piloten hoben die Arme in Gruselmonster-Pose über ihre Köpfe, fletschten die Zähne und gaben ein gespieltes Knurren von sich, dann stießen sie wieder diese Laute aus, die Nate inzwischen für Walgekicher hielt. Auch der Walbengel an der Konsole klatschte in die Hände und lachte laut.
»Franklin! Wir sind hier noch nicht fertig. Könnten wir die Schnittstelle zurückbekommen?«
Franklin – offenbar der Walbengel, der die Konsole bedient hatte – sank in sich zusammen und schob seine Hand wieder in die Steckdose. »Tschuldigung«, hörte man eine leise Stimme aus seinem Blasloch.
»Blöde Kuh«, kam es leise von einem der Piloten.
»Schicken wir es noch mal ab. Die Basis soll wissen, dass wir morgen früh da sind«, sagte Nuñez.
»Dann ist Disziplin also kein Problem?«, fragte Nate und grinste, weil Nuñez die Geduld verloren hatte.
»Ach, sie sind wie kleine Kinder«, sagte Nuñez. »Wie Delfine: Setzt man sie mitten im Meer mit einem roten Ball aus, spielen sie den lieben, langen Tag und machen nur Pause, um zu essen und zu rammeln. Ich sage Ihnen: Es ist, als müsste man einen Haufen notgeiler Kleinkinder hüten.«
Franklin quiekte und klickte eine Antwort, und diesmal stimmten Tim und Jane ins Gelächter der Walbengel mit ein.
»Was? Was?«, fragte Nate.
»Ich muss nicht einfach nur mal rangenommen werden!«, rief Nuñez. »Jane, haben Sie das mitgekriegt?«
»Klar«, sagte die Blonde.
»Mir reicht’s. Ich ziehe mich zurück.« Unter dem Kichern der Walbengel verließ sie die Brücke.
Tim sah sich nach Nate um und nickte zu dem Kopfhörer, die Nuñez liegen gelassen hatte. »Wollen Sie einspringen?«
»Ich bin hier Gefangener«, sagte Nate.
»Ja, aber auf die nette Tour«, sagte Jane.
Es stimmte. Alle waren ihm gegenüber freundlich gewesen, seit er an Bord gekommen war und hatten sich um ihn gekümmert. Er fühlte sich nicht wie ein Gefangener. Nate war nicht sicher, ob er nicht das Helsinki-Syndrom durchlebte, bei dem man mit seinen Entführern sympathisierte – oder war es das Stockholm-Syndrom? Ja, das Helsinki-Syndom hatte etwas mit Haarausfall zu tun. Es war definitiv das Stockholm-Syndrom.
Er trat an den Sonarbildschirm und setzte den Kopfhörer auf. Augenblicklich hörte er den fernen Gesang eines Buckelwals. Er schaute Tim an, der eine Augenbraue in die Höhe schob, als wollte er sagen: Sehen Sie?
»Also, erzählen Sie schon«, sagte Nate. »Was hat es mit dem Gesang auf sich?« Es war einen Versuch wert.
»Das wollten wir Sie gerade fragen«, sagte Jane.
»Na toll«, erwiderte Nate. Plötzlich fühlte er sich gar nicht mehr so gut. Nach allem, was passiert war, wussten nicht mal die Leute, die mit den Walen reisten, was der Gesang bedeutete?
»Geht es Ihnen gut, Nate?«, fragte Jane. »Sie sehen etwas angeschlagen aus.«
»Ich glaube, ich leide unter dem Stockholm-Syndrom.«
»Seien Sie nicht albern«, sagte Tim. »Sie haben noch reichlich Haare.«
»Möchten Sie was gegen Magenbeschwerden?«, fragte Jane.
Ja, dachte er, die Flucht scheint mir Priorität zu haben. Er war ziemlich sicher, wenn er nicht entkommen konnte, würde er ausrasten und jemanden umbringen oder zumindest übertrieben streng mit diesen Leuten sein.
Komisch, dachte er, wie sich doch die Prioritäten mit den Umständen ändern. Den größten Teil seines Lebens denkt man, dass man etwas will … den Gesang der Buckelwale verstehen, beispielsweise. Also verfolgt man dieses Ziel mit zäher Unbeirrbarkeit, lässt alles andere im Leben schleifen, nur um sich dann davon ablenken zu lassen und plötzlich noch etwas anderes zu wollen – Amy beispielsweise. Und dann kommt irgendwann der Augenblick, an dem einem die Umstände verdeutlichen, was man eigentlich wirklich will, und das ist – seltsam genug – endlich aus diesem Wal rauszukommen. Komisch, dachte Nate.
»Entspann dich, Kona«, sagte Clair, und ließ ihre Tasche an der Tür fallen. »Ich hab keinen Löffel dabei.«
Clay sprang von Margarets Schoß auf. Kona und er beobachteten, wie Clair den Raum durchquerte und Margaret und Libby in die Arme schloss, kurz innehielt,
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