Flowertown - Die Sperrzone
hielt den Umschlag noch einmal nach oben. »Dieser Durchsuchungsbefehl erlaubt meinem Mitarbeiterstab, Ihren Schreibtisch Zentimeter für Zentimeter auseinanderzunehmen. Ich hoffe inständig, dass wir keine illegalen Drogen finden werden.«
»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst«, sagte Ellie. »Was werden Sie mit mir machen, wenn Sie etwas finden? Mich verhaften? Mich in Flowertown lassen, ohne Hoffnung auf Bewährung?«
»Ich werde Sie in das Gefangenenlager sperren.« Mr Carpenter machte einen Schritt auf sie zu. »Es wird mir ein Vergnügensein. Sie glauben, es ist ein hartes Los, in den Türmen auf der fünften Straße Ost zu wohnen? Versuchen Sie mal, sich mit einem halben Dutzend Frauen einen Raum zu teilen, der halb so groß wie Ihr jetziges Zimmer ist.«
»Ach herrje«, sagte Ellie. »Sie meinen, ich muss die Toilette dann mit zwanzig anstatt mit achtzehn Leuten teilen? Die Elektrik funktioniert nur an zwei statt an drei Tagen die Woche? Um Himmels willen!«
Sie stemmte die Hände in die Hüften und schützte mehr Selbstvertrauen vor, als sie wirklich empfand. »Tu dir keinen Zwang an, du Scheißkerl.«
Auf ein Fingerschnalzen von Mr Carpenter setzten sich seine Mitarbeiter in Bewegung. Jede Kiste, jeden Ablagekorb, den sie durchwühlten, schmissen sie anschließend auf den Boden. Dann rissen sie in freudiger Erregung eine Schublade nach der anderen heraus. Kulis, Schreibblöcke, Büroklammern, Scheren, sämtliche Sedimente eines Bürolebens flogen durch die Luft. Ellie spürte, wie sich das kalte Loch in ihrem Magen ausbreitete. Hinten in der untersten Schublade, der Schublade mit den Hängeakten, lag eine Pausenbrotdose mit einem Bild von Glöckchen, der Fee aus Peter Pan, auf dem Deckel. Diese Dose war mit frischen, grünen Knospen, mehreren Pfeifen und einer Packung Drehpapier gefüllt. Es war die größte Schublade des Schreibtisches und offensichtlich das beste Versteck. Natürlich sparte sich die Schlägertruppe diese Schublade bis zum Ende auf. Die Frau durfte die glückliche Entdeckung machen. Mit einer selbstzufriedenen Geste warf sie die Metalldose auf den Schreibtisch.
»Was ist das denn?«, fragte Mr Carpenter.
»Mein Mittagessen.«
»Ich habe Hunger.« Er lächelte und ließ die metallenenSchnappriegel aufspringen. »Mal sehen, was Sie heute Leckeres dabeihaben.«
Ellie konnte nicht hinsehen und wandte sich stattdessen trostsuchend Big Martha zu. Ihre Chefin schüttelte empört den Kopf. Dann blickte sie wieder zurück zum Schreibtisch. Ihre Augen weiteten sich, und wiederum musste sie sich das Lachen verkneifen.
»Was zum …« Mr Carpenter machte sich daran, die Pausenbrotdose zu leeren und holte eine Handvoll Twinkies hervor. »Was ist das?« Er öffnete eine Packung, zerquetschte den Cremekuchen in seiner Faust und hielt die gelb-weiße Pampe unter seine Nase. »Was zum Teufel ist das? Soll das so etwas wie ein Witz sein?«
»Nein, Mr Carpenter. Das ist ein Twinkie.«
»Finden Sie das lustig?«
»Nein. Ich finde es köstlich.«
Er schleuderte den Mini-Kuchen zu Boden. Bevor er eine weitere seiner Tiraden loswerden konnte, schritt Big Martha ein. Sie war gut und gerne einen Meter achtzig groß, und sie musste nicht erst handgreiflich werden, damit man ihre Anwesenheit registrierte.
»Ich sage Ihnen, was ist, Mr Carpenter: Schluss ist. Sie haben Ihren Durchsuchungsbefehl bekommen. Sie haben Ihre Durchsuchung durchgeführt. Sie haben erfahren, wer die Kisten aus welchem Grund verschoben hat. Ich finde, Ihr Besuch ist beendet.«
Mr Carpenter wirbelte zu ihr herum. Er war zu wütend, um an irgendetwas anderes als an seine missglückte Durchsuchung zu denken. »Mir geht es wirklich sonstwo vorbei, was Sie denken. Ich habe keine Ahnung, wer Ihnen den Hinweis auf unseren heutigen Besuch gegeben hat, aber von nun an habe ich Sie im Visier. Sie beide.«
Seine Warnung hätte noch unheilbringender geklungen, wenn er sich nicht so scharf auf seinen Absätzen umgedreht hätte. Blind vor Wut bemerkte er das zerquetschte Twinkie unter seinen Füßen nicht und wäre beinahe auf den Rücken gefallen. Alle Anwesenden waren klug genug, nicht zu lachen, aber Big Martha und Ellie litten enorm unter dieser Anstrengung.
Fluchend stürmte Mr Carpenter aus dem Büro, gefolgt von seinen Mitarbeitern und einer dünner werdenden Spur aus Biskuit und Creme. Erst als der letzte Schritt auf der Treppe verklungen war, trauten sich Big Martha und Ellie auszuatmen, was sofort in ein fast hysterisches Lachen
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