Flowertown - Die Sperrzone
Telefonsystem erfasst, das immer dann eine Gesundheitsalarm-SMS verschickt, wenn es an der Zeit für die nächste Dosis ist.« Ellie hatte schon den ersten Alarm ignoriert, den sie erhalten hatte, als Bings SMS endlich durchgekommen war. Sie nahm zwei kleine rote Pillen aus ihrer Tasche und überlegte, was wohl passieren würde, wenn stimmte, was Bing vermutete: dass Textnachrichten in Flowertown wirklich blockiert und gefiltert werden konnten. Würde man den Gesundheitsalarm für jemanden blockieren, der seine Dosis brauchte? War sie schon im Verzug mit ihrer Behandlung zur Lebensqualität? Ausgeschlossen war das nicht. Sie schluckte beide Pillen.
»Nun, das war keine gute Idee«, sagte sich Ellie, als sie draußen vor der Archivverwaltung die Sicherheitskontrolle passierte. Ihr war eingefallen, dass in ihrem Zimmer eine Person zu viel sein würde, wenn Bing wirklich vorhatte, der leidenden Rachel das Händchen zu halten, und diese Person war sie. Zwar wusste Ellie, dass Bing absolut keine Chance hatte, das Herz oder die Gunst ihrer jungen Mitbewohnerin zu gewinnen, aber sie sah keinen Grund, seine Hoffnungen zu zerstören. Rachel mochte Bings Geschäker, und Bing schienen ihre regelmäßigen, aber freundlichen Abfuhren nichts auszumachen. Alles, was die Zeit vertrieb, war wohl recht, dachte sie sich. Doch auch wenn nur ein weiterer fruchtloser Versuch bevorstand, wäre Ellie trotzdem nichts weiter als ein Eindringling. Also musste sie sich einen anderen Ort einfallen lassen. Außerdem gingen sowohl Bing als auch Rachel davon aus, dass Guy sich bei ihr gemeldet hatte. Ellie hatte nicht vor, ihnen zu erzählen, welche SMS sie tatsächlich bekommen hatte.
Sie lief die vierte Avenue hinunter. Ursprünglich war das Zentrum von Flowertown in erster Linie Agrarland gewesen.Als dann die Quarantäne-Einrichtungen und die Gesundheitszentren aus dem Boden schossen, plante die Armee sie mit generalstabsmäßiger Präzision. Ausgehend von den wenigen, vorher schon existierenden Straßenblöcken gedieh Flowertown zu einem fast perfekten Raster, in dem die Straßennamen ebenso einfallsreich klangen, wie die Straßen selbst aussahen: die Nord-Süd-Achsen hießen Avenues, von Ost nach West liefen die Straßen, und alle waren durchnummeriert.
Richtige Bürgersteige gab es meist keine, denn es fuhren nur wenige Autos, in die man hätte rennen können. Nach dem anfänglichen Chaos der Sicherheitsverwahrung wurden alle Straßen für sämtliche Fahrzeuge gesperrt. Ausgenommen waren Militär-und Rettungsfahrzeuge. Privatfahrzeuge aus der kontaminierten Zone wurden an der Grenzstraße zwecks Desinfizierung beschlagnahmt, und als die zentral gelegenen Wohnquartiere zu einer Dauereinrichtung wurden, forderten nur wenige Bewohner ihre Autos zurück. Man konnte sowieso nirgends hinfahren.
Das, was aus HF-16 ein besonders effektives Pestizid gemacht hätte, wären die Testreihen fortgesetzt worden, machte es nun so gefährlich. Es hatte auf eine bestimmte Spezies eines körnerfressenden Käfers abgezielt, und die Chemikalie hätte nicht nur einen großen Teil des Bestandes dieses Parasiten auslöschen sollen, sondern sich auch in den Organismen jener Vögel und Insekten, die die restlichen Überlebenden fraßen, einnisten sollen, ohne ihnen direkt zu schaden. Man hoffte, dass, wenn sich die Chemikalie erst einmal in den Zellstrukturen dieser Tiere festgekrallt hätte, diese natürlichen Feinde des Käfers das Pestizid weiterhin ausscheiden würden, und so für die endgültige Ausrottung des Schädlings sorgen würden.
Und HF-16 funktionierte auf schreckliche Art. Es krallte sich tatsächlich auf Zellebene fest. Jeder Organismus, der es aufnahm, schied die Chemikalie kontinuierlich aus, in jedweder Form der Absonderung, sei es als Exkremente, ausgefallene Haarsträhnen oder ausgespuckte Kaugummis. Leider stellte man überraschend fest, dass es für eine große Anzahl von Organismen giftig war – dazu gehörten Menschen, Farmtiere und die meisten Vögel. Man stellte weiterhin fest, dass es Entgiftungskuren gegenüber recht resistent war – der Grund, warum das gesamte Wasser von Flowertown aus gesonderten Reservoirs gespeist wurde. Die Wasserleitungen der Stadt und die des Landkreises waren voneinander getrennt, die Abflussrohre gingen nicht nach draußen. Im Umkreis von fünf Kilometern zog sich ein Ring um Flowertown, innerhalb dessen alles mit einer Mischung aus Pflanzenvernichtungs-und Entseuchungsmitteln niedergebrannt und
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