Fluch der 100 Pforten
davon zwischen sich auf den Stein.
Tate klatschte sich die feuchten Hände an die Wangen und brachte das Gefäß dann zurück in das Regal und den Zettel in den Karteischrank.
»So«, sagte Frank. »Wir wären soweit. Es ist kaum anzunehmen, dass es ein Vergnügen werden wird, aber wir müssen den Dingen ins Auge sehen. Tate?«
Tate nickte. Er stellte sich auf den Stein, drückte seinen gelben Hut fest auf den Kopf, drehte sich zur Seite und schlüpfte durch die Schleuse.
Einen kurzen Moment lang konnte Henry ihn auf der anderen Seite sehen. Er drehte sich noch einmal um und sah zurück, dann verschwand er.
»Roland«, sagte Frank.
»Ich kann warten«, antwortete Roland. Er schien Angst zu haben.
Aber der dicke Frank schüttelte den Kopf.
Roland stellte sich vor die Schleuse, sog geräuschvoll die Luft durch die Nase und ging mit gerade Schultern hindurch. Kurz bevor er verschwand, meinte Henry noch zu sehen, dass er ein wenig strauchelte.
»Monmouth«, sagte Frank. »Unser Zauberer-Ehrengast. Wenn mein Vater geahnt hätte, dass einmal ein Zauberer die Wurzeln des Berges zu sehen bekommen würde, wäre er wohl vor Schreck gestorben. Da er aber längst tot ist, macht es auch nichts mehr.« Frank deutete mit dem Kopf auf den Durchgang.
Monmouth stellte sich vor die Schleuse und schob sich Zentimeter um Zentimeter voran. Er war ein bisschen größer als die Schleuse hoch war. Darum zog er den Kopf ein, beugte die Knie und schlüpfte auf diese Weise ins Nichts hinüber.
Der dicke Frank sah zu Henry. Er zog die Lippen ein wenig hoch und rieb sich mit dem Handrücken die stumpfe Nase. »Nun ja«, sagte er. »Du machst uns schon ein bisschen Mühe, das kann ich nicht leugnen. Ich hoffe, du hast genügend Kawumm, damit sich das Ganze auch lohnt. Ich will mir mein Leben nicht dadurch verderben, dass ich dein Ende beschleunige.«
Henry trat vor die Schleuse und drehte sich wie Tate zur Seite. Dies war der Weg nach Hylfing, der Gefahr entgegen! Henry war drauf und dran, der Hexe in die Arme zu laufen und erneut mit Darius zusammenzutreffen. Und Ronaldo und Nella hatten gewusst, dass es so kommen würde. Seine Hand glitt zu seinem Bauch, betastete die wulstigen Narben auf seiner Haut.
»Weißt du«, sagte Henry. Er sprach mehr zu sich selbst als zu Frank. Um sich selbst Mut zu machen. »Jemand hat mir mal gesagt, dass es weniger wichtig ist, einen Kampf zu gewinnen, als vielmehr an der richtigen Stelle zu stehen und zu tun, was getan werden muss. Und manchmal kann an der richtigen Stelle zu stehen bedeuten, dass man dabei ums Leben kommt. Aber auch das ist besser, als nicht dort gestanden zu haben.« Henry drehte sich um und sah in die dunklen Augen des Elfs.
»Oh«, meinte Frank. »Das sind aber düstere Gedanken für einen jungen Burschen. Wenn du so denkst, wirst du nicht
mehr erreichen, als dass man deinen Namen in einen Stein meißelt. Ich meine eher: Lass dich auf kein Spiel ein, bevor du nicht weißt, wie man es gewinnt. Spiele Schach nur mit Idioten, tritt nur die Hunde, die schon tot sind, und liebe keine Frau, bevor sie dich nicht liebt. Das ist die Weisheit von Frank …«
Henry war schon weg.
Frank zog ein Stück Draht aus der Tasche. »Nun, Franklin, der Junge ist alles andere als aus Zucker, was?« Er wickelte den Draht um einen der Äste herum. »Er hat die Sache ganz gut durchblickt, das hast du schon gemerkt. Wir werden wohl alle dabei draufgehen und nur die Möwen werden sich unserer Überbleibsel annehmen. Aber«, fügte er hinzu und zog vorsichtig an dem Draht, »ich werde, wenn ich sterbe, auf meinem Platz stehen, neben dem Sohn Mordechais − selbst wenn er manchmal ein bisschen aus dem Mustopf kommt.«
Frank trat einen Schritt zurück. Er sah sich noch einmal in der Schleusenkammer um, ob es irgendetwas gab, das verriet, wohin sie gegangen waren. »Tja, Frank«, sagte er. »Alles, was du tun musst …«, er stellte sich unter die Schleuse, »… ist dafür zu sorgen, dass der Junge getauft wird, auch wenn er nur noch fünf Minuten zu leben hat. Darum geht es jetzt, Franklin. Danach kannst du ins Gras beißen, wenn dir danach ist. Auch wenn ich nicht glaube, dass du das willst.«
Der dicke Frank ging durch die Schleuse und verschwand. Einer der Äste lehnte sich zur Seite und fiel um. Der Rest folgte und stürzte klappernd in dem verwaisten Raum zusammen.
Ohne Wege, die es erleuchten konnte und ohne Augen, die es blenden konnte, kam das junge Licht zur Ruhe. Es ergoss sich über die
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