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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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aber, nachdem Henry einem unablässigen Strom herausgeputzter Stutzer begegnet war, wirkte Rons Bekleidung fast wie ein Bademantel. Wie er selbst wirkte, fragte Henry sich lieber nicht. Er trug eine lange eng anliegende braune Hose, die aus einer Art Samt gefertigt war, und ein übergroßes weißes Hemd ohne Kragen und mit bauschigen
Ärmeln. Es passte nicht so richtig zu seinem Rucksack, aber immerhin war es kein Kleid.
    Ron lächelte und winkte Henry zu sich.
    Sechs Frauen in ausladenden Röcken schritten langsam zwischen ihnen hindurch. Wahrscheinlich, um drei Postkarten zu holen. Henry wartete, bis sie vorüber waren, dann ging er etwas wackelig zu Ron hinüber. Er trug Stiefel – die einzigen Schuhe, die Ron in einer halbwegs passenden Größe hatte finden können -, woran er nicht im Entferntesten gewöhnt war. Er hatte auch das Gefühl, dass er sich niemals daran würde gewöhnen können.
    Ron hielt die Tür auf und Henry trat hindurch. Im nächsten Augenblick blieb er wie angewurzelt stehen. Er befand sich in einem kleinen, quadratischen gelben Raum, der von Männern in grauen Uniformen bevölkert war. Als Henry eintrat, winkelten alle ihre Oberkörper bis zur Hüfte hinunter ab und vergaßen, sich wieder aufzurichten. Ron sah Henry an und zwinkerte.
    Ein Mann trat vor, noch immer gebeugt, und deutete auf eine weitere Tür.
    Ron nahm Henry in die Arme und drückte ihn an sich. Er roch echt, wie ein Baum. Henry grunzte. Er war auch genauso stark.
    »Sei standhaft«, sagte Ron.
    Henry lächelte, aber er fühlte, wie etwas in ihm aufstieg. Eine plötzliche Angst. Er ging nicht einfach nur zurück nach Kansas. Da war noch etwas anderes. Etwas anderes, das seinen Lauf nahm. Er atmete tief ein, stieß die Luft wieder aus und sah, wie sie durch Rons Bart wehte.

    »Was hast du ihnen gesagt?«, flüsterte Henry und deutete mit dem Kopf auf die Männer, die sich noch immer verbeugten.
    »Die Wahrheit. Dass du der Inhaber des magischen Faches bist.« Ron fasste ihn an der Schulter. »Von deinem Blut rollt noch mehr in den Welten. Es wird dir in Körpern begegnen, die stärker sind als deiner.«
    »Bist du sicher?«, fragte Henry.
    Ron schüttelte den Kopf und lächelte. »Wir wollen es hoffen. Aber eines weiß ich genau: Das Feuer in dir ist das Feuer des Löwenzahns. Die Kraft deines neuen Blicks gleicht ihm, unvermittelt, unerschütterlich und stark.
    Henry nickte. Er glaubte verstanden zu haben.
    Ron klopfte ihm auf die Schulter und drehte ihn der nächsten Tür zu. Die Männer in Grau standen immer noch in tiefer Verbeugung da.
    »Sie können sich wieder aufrichten«, sagte Henry.
    Der Anführer warf ihm durch die Augenbrauen einen kurzen Blick zu und duckte sich dann wieder nach unten.
    »Na gut«, sagte Henry. Er öffnete die Tür, winkte Ronaldo Valpraise zu und trat hindurch.
    Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, stand er allein in einem weiteren gelben Raum. In dem gelben Raum. Dies war der erste Ort, den er damals überhaupt gesehen hatte. Wo er auf der anderen Seite seiner Dachbodenwand graue Hosenbeine hatte herumlaufen sehen. Plötzlich hoffte er, dass Ron nicht gleich weggehen würde. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte.
    Tja, dachte er. Vielleicht sollte ich einfach mal versuchen, mein Fach zu finden?

    Der Raum war ziemlich tief, und die gesamte rechte Wand bestand aus den offenen Rückseiten von Fächern. Hier und da hörte Henry, wie eines geöffnet wurde, die Post herausgenommen und die Tür wieder geschlossen wurde.
    Jedes Fach hatte einen kleinen Metallbeschlag am unteren Rand. In manchen steckten Papierschilder, auf die von Hand Namen geschrieben waren.
    Henry stand neben den 900er Nummern. Er schritt die Wand entlang und beobachtete die absteigende Nummerierung.
    Als er bei den 100ern angekommen war, verlangsamte er seinen Schritt und blieb schließlich stehen. Dort, ein kleines Stück unterhalb seiner Hüfte, befand sich das kleine offene Rechteck, auf dem die Zahl 77 stand. Darunter steckten zwei Papierschilder. Das obere war nicht beschriftet. Henry hob es mit einem Finger an. Das Schild darunter war über und über mit Namen beschrieben, die allesamt wieder ausgestrichen waren.
    Henry ging in die Knie, legte die Hände um die Augen und versuchte in das Fach hineinzusehen. Er konnte nichts erkennen. Immer noch in der Hocke, fasste er mit der rechten Hand in das Fach hinein und tastete nach der Rückseite der Tür, denn er hatte eine Befürchtung: Wenn es keine Möglichkeit gab, das

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