Fluch der Leidenschaft
sie.
»Nicht jetzt«, erwiderte er, sah sich an ihrem Zufluchtsort um und zog die Pfeile heraus, als seien es kleine Stacheln.
Nur einen berührte er nicht.
Sie sah, dass dieser ein gutes Stück tiefer steckte. Er war durch den Panzer in den Armmuskel eingedrungen. Der größte Teil des Schafts war abgebrochen, aber er musste jede von FitzRogers Bewegungen äußerst schmerzhaft machen.
Zudem blutete diese Wunde bei jeder kleinsten Erschütterung. »Den da können wir nicht stecken lassen«, sagte sie.
»Wir haben keine andere Wahl. Solange er in der Wunde steckt, kann ich das Kettenhemd nicht ablegen; ich kann ihn aber auch nicht gut genug packen, um ihn herauszuziehen.«
»Dann muss ich es eben tun.« Imogen betete, dass sie dazu imstande war.
Er warf ihr einen raschen, zweifelnden Blick zu, dann hielt er ihr den Arm hin.
Nur die Länge eines kleinen Fingers ragte aus dem Kettenhemd heraus, und das Holz war blutverschmiert und glatt. Imogen packte an, so gut es ging, und zog daran. Nichts geschah, außer dass FitzRoger vor Schmerz schnaubte und Blut aus der Wunde trat.
»Tut mir leid«, murmelte sie verzagt.
»Die Spitze hat einen Widerhaken, sie wird am Hemd hängen bleiben.« Seine Stimme war fest. »Du musst mit aller Kraft ziehen.«
Imogen atmete tief durch. Es musste getan werden, und sie konnte es tun. Trotzdem versuchte sie zuerst so vorsichtig wie möglich, ob sich das Panzerhemd über den Schaft ziehen ließ. »Vielleicht kann ich den Schaft abschneiden«, meinte sie.
»Das würde wahrscheinlich mehr schmerzen und wesentlich länger dauern.«
Wieder betrachtete Imogen den Schaft, und eine innere Stimme versuchte ihr einzureden, dass sie das sowieso nicht schaffen würde und dass, wenn sie es unterließ, alles gut werden und jemand anderer sich darum kümmern würde. Andererseits wusste sie aber auch, dass es getan werden musste, wenn er mit diesem Arm kämpfen sollte, ohne mehr Blut zu verlieren, als er würde aushalten können.
»Leg dich hin«, sagte sie schließlich, selbst von ihrem Befehlston überrascht.
Er sah sie an. »Warum?«
Es schien lächerlich, jemandem wie FitzRoger einen Befehl zu erteilen, aber sie sagte: »Ich kann das nur, wenn du am Boden liegst. Leg dich einfach auf den Bauch.«
Er gehorchte ohne ein Wort des Widerspruchs. Jetzt stand der Pfeilschaft senkrecht nach oben. Imogen setzte den linken Fußballen auf seinen Unterarm und den ganzen rechten Fuß auf seine Schulter. »Tut das weh?«
»Nicht sehr«, sagte er und fügte mit einem Anflug von Humor hinzu: »Mancherorts gilt es als luststeigernd, wenn die Frau über den Rücken des Mannes läuft …«
»Was für ein Ort soll das sein? Oder ist es besser, ich frage nicht?«
»Wahrscheinlich.«
Imogen wischte vorsichtig das Blut ab und bemühte sich, die Hände ruhig zu halten und so viel Kraft wie möglich zu sammeln.
»Wie du sicher bemerkt hast, bin ich bereit«, sagte er mit einer Stimme voller Wärme und Heiterkeit, »dich über meinen ganzen Körper laufen zu lassen …«
Sie ignorierte seinen Scherz und umwickelte den Schaft mit einem Stück Stoff von ihrem Kleid, um besser zupacken zu können.
»Es heißt, dadurch werden verspannte Muskeln gelock… ah!«
Der Pfeil war heraus. Sie hatte gespürt, wie der Widerhaken Fleisch und Haut aufriss, und gehört, wie er am Metall des Kettenhemds schrappte.
Durch den plötzlich fehlenden Widerstand fiel sie hintenüber; sie saß da und kämpfte gegen den Impuls an, sich zu übergeben.
Er setzte sich schwer atmend auf und hielt sich den Arm. »Ich fühle mich im Augenblick allerdings nicht besonders locker.«
»Ich muss noch üben …« Sie erstickte ein Schluchzen und kroch zu ihm. »Es tut mir leid.«
Sein Blick verriet Schmerz, aber er war auch liebevoll. »Ich bin schon schlechter verarztet worden. Um die anderen können wir uns später kümmern.«
Sie setzte einen mahnenden Blick auf. »Ich helfe dir, das Kettenhemd auszuziehen.«
Auch das war mit Schmerzen verbunden, aber sie schafften es; das gepolsterte Lederwams streifte sie ihm ebenso ab.
Darunter war er über und über voller Blut.
Das meiste trat aus den kleinen, von den vielen Pfeilen verursachten Wunden aus. Sie waren nicht gefährlich, einige hatten sogar schon aufgehört zu bluten, aber sie mussten schmerzhaft sein.
In der tiefen Wunde war das Fleisch zerrissen und angeschwollen, und sie blutete ziemlich stark. Imogen wusste, dass die Verletzung durch das Herausziehen des Pfeils
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