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Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)

Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Urteil.
    Zumindest solange sie Erfolg hatte.
    Aber zurzeit schien das Schicksal das an ihr ausgleichen zu wollen, was es in ihren jüngeren Jahren an ihr versäumt hatte.
    Jeannet Harris war zum Fluch der Meere geworden und es hatte wahrscheinlich niemals zuvor eine Frau gegeben, die darin so erfolgreich gewesen war wie sie.
    Mit geblähten Segeln und einer Geschwindigkeit, die man dem schwarzen Piratenschiff gar nicht zutraute, jagte die WITCH BURNING
    auf die Rauchfahne zu, die mit jedem Yard deutlicher zu sehen war. Jedem an Bord war klar, was diese Rauchfahne zu bedeuten hatte. Dort war ein spanisches Handelsschiff überfallen worden! Und die Rauchfahne bewies, dass es zumindest noch schwimmende Überreste des Schiffes gab. Vielleicht sogar ein führer-und steuerlos dahintreibendes Wrack.
    Aber jeder wusste auch, dass dort nichts mehr zu holen war. Darum wunderten sie sich jedesmal aufs Neue, was ihr Kapitän dort überhaupt wollte. Wieso ließ Jeannet jedesmal erst das Wrack anlaufen, die Stelle des Verderbens, wie sie es stets nannte? Wieso nahmen sie nicht gleich die Verfolgung des Freibeuters auf, dem dies anzulasten war und der jetzt mit seinem vom Beutegut überladenen Schiff selbst eine relativ leichte Beute wurde? Zumal sie auch ohne die "Stelle des Verderbens" anzulaufen die ungefähre Route ihres potentiellen Opfers kannten. Jeder dieser englischen Freibeuter nahm schnurstracks den Weg zurück in englische Hoheitsgewässer, um nicht von einem spanischen Kriegsschiff aufgebracht zu werden.
    "Die Spanier sind Narren!", murmelte Jeannet tonlos vor sich hin - und meinte damit die spanischen Kriegsschiffe. Anstatt mit ihren Galeonen die gefährdeten Handelsschiffe zu begleiten und zu schützen, kreuzten sie viel lieber weitab der Handelsrouten, um die Freibeuter abzufangen. Wann würden sie jemals dahinter kommen, dass die Freibeuter ihnen bei dieser Strategie haushoch überlegen waren, weil sie jeden einzelnen Schritt der Spanier schon im voraus ahnten?
    Sie schüttelte den Kopf und heftete ihren Blick auf die Rauchfahne, bis sie mehr als diese zu sehen bekamen. In voller Fahrt lief die WITCH
    BURNING auf die Unglücksstelle zu. Die ersten Wracktrümmer schwammen ihnen entgegen, von einer unsichtbaren Strömung getrieben. Aber nicht nur Wracktrümmer, sondern ein dunkel verfärbtes Wasser dunkel verfärbt vom Blut der Abgeschlachteten!
    Etwas in Jeannet krampfte sich zusammen. Wieso eigentlich tat sie sich das jedesmal an? Wieso musste sie dieses Bild des Grauens zuerst in sich aufnehmen, bevor sie die Mörder verfolgte?
    Sie wusste die Antwort, hätte es jedoch niemals gegenüber einem anderen Menschen zugegeben: Sie brauchte dies als Rechtfertigung für ihr eigenes blutiges Handeln! Sie musste sehen, was die Mörder angerichtet hatten, ehe sie es fertigbrachte, sie zur Strecke zu bringen.
    "Ich bin euer Richter!" sagte sie die beinahe schon ritualisierten Worte. Ihre Leute hatten sie oft genug vernommen und es zog ihnen jedesmal die Nackenhaut zusammen, als wären sie selber als Opfer betroffen und nicht die Vollstrecker des Kommenden: "Das Urteil lautet: Tod! Und ich bin euer Henker, der euch gnadenlos zur Strecke bringt!" Ihre Leute dachten, was sie niemals laut ausgesprochen hätten: Um anschließend unser eigenes Schiff mit eurer reichen Beute zu füllen!
    Drum gehorchten sie dem Ritual ihres weiblichen Kapitäns, obwohl sie es absolut nicht nachvollziehen konnten.
    Sie wussten ja nichts von Jeannts Vergangenheit, denn sie hatte noch niemals zu einem Menschen darüber gesprochen.
    Die ersten Toten schwammen im Meer. Und jetzt sahen sie auch, woher der Rauch stammte. Aus unerfindlichen Gründen hielt sich ein besonders großes Wrackteil noch über Wasser, wo es allmählich ausbrannte, ehe es für immer im nassen Grab der See versank. Nein, da hatte niemand überlebt. Die blutigen Leichen ließen überdies vermuten, mit welcher Grausamkeit alle Menschen zu Tode gekommen waren, die sich zum Zeitpunkt des Überfalls auf dem Schiff befunden hatten.
    Unter dem schwimmenden Gerümpel, das die Freibeuter nicht hatten mitgehen lassen, weil es ihnen zu wertlos erschienen war, befanden sich auch Kleiderbündel und darin eingeschnürter primitiver Hausrat. Das bewies, dass es sich nicht um ein reines Handelsschiff gehandelt hatte, sondern dass auch Siedler für die sogenannte Neue Welt jenseits vom Atlantik an Bord gewesen waren.
    Die Piratin wusste: Das waren die Ärmsten der Armen! Sie versuchten, ihrer

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