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Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)

Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und beschattete sie zusätzlich mit der linken Hand. Am Horizont kräuselte sich eine kaum wahrnehmbare Rauchfahne empor. Sie war viel zu weit weg, als dass man sie genau hätte sehen können, aber der Freibeuterin genügte es vollkommen: Sie sah den Rauch sogar noch vor dem Mann oben im Ausguck.
    "Alarm!" sagte sie ruhig. Sie brauchte nicht herumzuschreien. Dafür hatte sie andere, deren stimmliches Organ dafür weitaus besser ausgebildet war als das ihre.
    Sogleich wurde von der Brücke hinuntergebrüllt:
    "Alarm! Alle Mann auf ihre Plätze!"
    Hektische Betriebsamkeit entstand, trotz der eigentlich lähmenden Hitze.
    Die meisten Piratenschiffe waren nachts auf Kaperfahrt, um unbemerkt an die zu kapernden Schiffe heranzugelangen, denen sie zumeist schon Tage vorher gefolgt waren. Die Mannschaft der WITCH BURNING
    jedoch handelte anders. Kaum einer der Männer an Bord war zwar der Meinung, dass es besser sei, von dieser traditionellen Vorgehensweise abzuweichen, aber so lautete nun einmal der Befehl des Kapitäns. Und diesem Kapitän – mochte es sich nun um eine Frau oder eine Hexe handeln – folgten sie bis in den Tod, vorausgesetzt sie sorgte dafür, dass es immer genug Beute gab.
    Das wusste Jeannet nur allzu gut.
    Schon so mancher Piratenkapitän war von der eigenen Mannschaft ausgesetzt oder den Haien zum Fraß vorgeworfen worden, wenn der Erfolg ausblieb und sich Fehlentscheidungen häuften.
    Es war ein Leben auf einer Schwertschneide.
    Aber Jeannet kannte es nicht anders.
    "Welche Order, Jeannet?" fragte ihr Erster Offizier. Das war das einzige, was die Männer von ihrem Namen wussten - den Vornamen Jeannet, den sie ihrer französischen Mutter verdankte. Ihr Nachname Harris, geerbt von ihrem englischen Vater, hatte sie nie erwähnt. Es kam auch keiner auf die Idee, sie danach zu fragen. Unter ihresgleichen war es unüblich, einen Nachnamen zu benutzen oder sich gar damit anreden zu lassen, wie es neuerdings unter den bürgerlichen Ständen Englands Mode geworden war. Ein Vorname genügte den meisten dieser wilden Gesellen, dazu hatte er möglichst gewöhnlich zu sein. Ein auffallender Name erleichterte nur die Strafverfolgung. Jeannet war das Kind einer traditionsreichen Gauklerfamilie. Ihr Vater hatte sie von Kindesbeinen an auf den Umgang mit Waffen trainiert, damit sie ihr Können bei allerlei Vorführungen unter Beweis stellen konnte. Die schlangengleiche Geschmeidigkeit ihres Körpers hatte sie von der Mutter geerbt. Sie war als Schlangenfrau aufgetreten und hatte die Zuschauer mit ihren Verrenkungen in pures Erstaunen versetzt. Einmal war sie deswegen mit knapper Not einer Anklage wegen Hexerei entgangen, denn derartige Körperbeherrschung war nach Ansicht vieler nur möglich, wenn man einen unheiligen Bund mit den Mächten der Finsternis geschlossen hatte.
    Sie dachte nicht gerne an die Vergangenheit. Tiefe Trauer erfüllte sie dann.
    Jeannet war noch ein halbes Kind gewesen, als marodierende Soldaten ihrer Majestät das Lager der Gaukler überfallen und ausgeraubt hatten. Abergläubische Eiferer hatten die Landsknechte aufgehetzt, als gerade zu dem Zeitpunkt, da die Gaukler in die Gegend gekommen waren, die Blattern ausgebrochen waren. Da musste es doch einen Zusammenhang geben! Schreckliche Szenen hatten sich damals abgespielt. Bilder, die Jeannet niemals in ihrem Leben vergessen würde.
    In ihren Albträumen hörte sie noch heute die Schreie...
    Jeannet Harris war die einzige aus der Gaukler-Truppe, die diesen Ausbruch des Hexenwahns überlebt hatte. Zitternd hatte sie sich in einem nahen Gehölz verkrochen. Wie Messerstiche waren die Schreie der Geschundenen in ihre Seele gedrungen. Ihre körperliche Behendigkeit hatte ihr die rechtzeitige Flucht ermöglicht und ihr damit das Leben gerettet.
    Sie hatte dennoch alles mitansehen müssen.
    Ein albtraumhaftes Erlebnis, dass ihr künftiges Leben geprägt hatte: Seitdem hasste sie alles Adelige, hasste die Obrigkeit, verkörpert durch Beamte, Soldaten und Polizei...
    In Hafenstädten hatte sie sich herumgetrieben, sich mühsam durchgeschlagen, bis sie schließlich als blinde Passagierin an Bord eines Seglers geraten war, der später von Piraten gekapert wurde. Sie schloss sich den Freibeutern an, errang sich nach und nach Respekt und erlernte die Kunst des Segelns. Ihr Instinkt für Beute hatte sie schnell in der Hierarchie aufsteigen lassen. Jetzt vertraute eine ganze Mannschaft ihrem Befehl und ihrem

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