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Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)

Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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emporzuklettern. Sie freuten sich offensichtlich schon darauf, ihr dabei einen Schabernack zu spielen.
    Jeannet grinste zurück und griff nach der Strickleiter. Sie hakte nicht ihre Füße ein, um hochzuklettern, sondern ließ ihren geschmeidigen Körper leicht hin-und herpendeln und griff dabei jedesmal nach. Das sah so aus, als würde sie sich an der Strickleiter regelrecht emporschlängeln - und das mit beängstigender Geschwindigkeit. Die oben zogen jetzt kräftig an der Strickleiter, als wollten sie die Besucherin hochziehen, aber im entscheidenden Moment ließen sie wieder los, als würde es unbeabsichtigt geschehen. Dabei erwarteten sie natürlich, dass sie den Halt verlor und zurückfiel auf das Boot. Ehe sie jedoch ihren Triumph auskosten konnten, mussten sie erstaunt feststellen, dass überhaupt niemand mehr an der Strickleiter hing. Wie war das denn möglich?
    Einer war so unvorsichtig und beugte sich weit über die Reling, um alles richtig überschauen zu können.
    Ein schlimmer Fehler, denn eine Hand packte scheinbar aus dem Unsichtbaren nach ihm, zupfte kurz - und schon segelte der bärbeißige Maat im Dienste Ihrer Majestät, der Königin von England, im hohen Bogen nach unten. Er schrie wie am Spieß und strampelte verzweifelt, ehe er unmittelbar neben dem Boot auf das Wasser klatschte. Das Lachen blieb seinen Kameraden im Hals stecken, denn im nächsten Augenblick schwang sich Jeannet mit einer Behendigkeit über die Reling zu ihnen herauf, als hätte sie überhaupt kein Gewicht. Sie duckte sich ab, formte die Hände zu Krallen und fauchte sie an. Erschrocken fuhren die kriegsbewährten Soldaten vor ihr zurück. Sie entspannte sich und lachte nun ihrerseits lauthals.
    Keiner wusste so recht, ob er in das Lachen einfallen sollte oder nicht.
    "Ich bin der Kapitän des Piratenschiffes WITCH BURNING: Jeannet WITCH! Und wo ist der Kapitän dieses Schiffes hier? Oder muß ich mich zufriedengeben mit diesen Tölpeln von unfähigen Matrosen?" Sie bewegte sich in Richtung Kommandobrücke. Weit kam sie nicht. Die Männer hatten sich von ihrem Schrecken erholt und warfen sich auf sie. Gleich fünf Mann auf einmal.
    Doch sie griffen ins Leere. Jeannet tauchte gedankenschnell unter ihnen weg und war plötzlich hinter ihnen. Sie warfen sich zu ihr herum. Sie stürmte auf sie zu.
    Unwillkürlich wichen sie aus. Eine Lücke bildete sich.
    Jeannet sprang mit einer Hechtrolle zwischen ihnen hindurch, rollte über das Deck und landete wieder auf den Beinen. Dabei drehte sie sich zu den Männern um, die nach ihr hatten greifen wollen.
    "Nicht doch", tadelte sie amüsiert. "Ihr braucht mich nicht festzunehmen. Seht doch, ich bin nur eine schwache Frau und hier sind so viele starke Männer. Wovor fürchtet ihr euch eigentlich? Meint ihr, ich könnte allein das ganze Schiff erobern?"
    "Genug!", ertönte von oben eine donnernde Stimme. Es war die Stimme von Lord Donald Cooper. "Lasst die Finger von ihr. Begleitet sie zu mir herauf. Ich möchte mit eigenen Augen sehen, mit wem wir es zu tun haben."
    Sie wandte sich der Richtung zu, aus der die Stimme gekommen war. Lord Donald Cooper stand vor der Sonne und war für sie nur eine hohe Silhouette, sowieso noch zu weit entfernt, um Einzelheiten erkennen zu können.
    Jeannet setzte sich in Marsch zur Kommandobrücke, in sicherem Abstand von den Männern begleitet, die jetzt ihre Waffen gezogen hatten.
    "Ihr wird kein Haar gekrümmt!", warnte Lord Cooper. "Sie ist freiwillig zu uns gekommen. Erst werden wir uns anhören, was sie zu sagen hat."
    "Sehr nobel von Euch, verehrter Kapitän, aber was mich betrifft: Sollte es Euch entgangen sein, wie ich mich vorgestellt habe?", rief Jeannet respektlos.
    "Die richtige Anrede ist Mylord!", hörte sie die strafende Stimme des Mannes, der neben dem Kapitän stand.
    "Ein wahrhaftiger Lord?", wunderte sich Jeannet. Unwillkürlich dachte sie an das Massaker von damals.
    Ein Lord?
    Seine Soldaten?
    Sie hörte ihre grölenden Stimmen. Sie waren betrunken gewesen. Hier an Bord war niemand betrunken. Das Schiff hatte volle Gefechtsbereitschaft und sein Kapitän war wiederum... ein Lord?
    Etwa... derselbe von damals?
    Ihr Verstand wusste, dass dieser Gedanke absurd war.
    Aber die Erinnerung machte sich bisweilen selbstständig, ergriff dann die Herrschaft über sie und machte sie zu ihrer willenlosen Marionette. Nein!, entschied sie im nächsten Augenblick im Stillen. Sie hatte vorhin seine Stimme gehört, aber es war nicht dieselbe Stimme wie

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